Den kurdischen Verteidigern in der Stadt Kobane muss geholfen werden. Der Vorschlag, Bodentruppen unter UN-Mandat nach Syrien zu schicken, ist allerdings verfehlt, meint unser StZ-Politikredakteur Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Es ist viel von Menschlichkeit die Rede in diesen Tagen. Tatsächlich sind die Bilder aus Kobane kaum mehr zu ertragen. Im Häuserkampf werden kurdische Kämpfer von Terroristen des Islamischen Staates abgeschlachtet, während auf einem Hügel in Sichtweite die Besatzungen türkischer Panzerverbände tatenlos zusehen. Das Töten müsse endlich beendet werden, führen westliche Politiker vehement das Wort. Das aber ist eine wohlfeile Forderung, denn verteidigt werden soll die Menschlichkeit in Kobane allein von der Türkei. Nun hat sich die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt zu Wort gemeldet. Auch sie will natürlich das Ende des Mordens, doch die Bundestagsfraktionsvorsitzende geht einen Schritt weiter: die Politikerin verlangt ein robustes UN-Mandat im Kampf gegen die IS-Terrormilizen. In der Konsequenz heißt das, dass in Syrien bald auch deutsche Bundeswehrsoldaten in den Krieg ziehen könnten.

 

Was geschieht danach?

Aber hat Katrin Göring-Eckardt das Szenario wirklich zu Ende gedacht? Wahrscheinlich ist, dass eine internationale Allianz mit einem Mandat der Vereinten Nationen Kobane aus den Klauen der Islamisten befreien könnte. Aber was geschieht danach? Hat die Menschlichkeit damit obsiegt und die Blauhelme ziehen sich wieder in ihre Kasernen zurück? Genau das Gegenteil wäre der Fall. Die UN hätten sich mit einem solchen Kampfeinsatz in einen völlig unübersichtlichen Krieg verstrickt, der militärisch nicht zu gewinnen ist – weswegen alle maßgeblichen Politiker gegen Bodentruppen in Syrien sind. Um in Syrien in eine blutige Schlacht zu ziehen, braucht es mehr als eine nur grobe Vorstellung, welche politischen oder auch humanitären Ziele damit erreicht werden sollen. Doch an dieser gemeinsamen Strategie, einem umfassenden Plan für die Zukunft des Landes, fehlt es schon seit Beginn des Bürgerkrieges vor drei Jahren. Zu lange wurde von allen Seiten gezögert und gezaudert – was das Auseinanderbrechen Syriens beschleunigte und am Ende erst den Aufstieg der Terrormilizen des IS möglich machte.

Sogar die Rückkehr Assads scheint möglich

Inzwischen verbietet es sich fast, von einer irgendwie demokratisch gearteten politischen Ordnung in Syrien auch nur zu träumen. Sogar die Rückkehr des verhassten Diktators Bashar al-Assad scheint möglich. Von einem „regime change“ in Damaskus ist in den westlichen Hauptstädten jedenfalls keine Rede mehr. Der IS wird derzeit als wesentlich größere Gefahr angesehen als Assad. Das Massaker in Kobane zeigt aber, dass der Westen den Dingen in Syrien nicht einfach ihren freien Lauf lassen kann. „Kobane liegt auch in Deutschland“, skandieren die demonstrierenden Kurden aus zigtausend Kehlen während ihrer Protestzüge durch Düsseldorf, Berlin oder auch Stuttgart. Das ist nicht nur ein Flehen nach Hilfe, das ist auch eine Warnung an all jene, die glauben, dass das Pulverfass im arabischen Raum eine nur regional begrenzte Sprengkraft besitzt.

Der Schlüssel zur Lösung des drängendsten Problems liegt im Moment in Ankara. Die Türkei muss überzeugt werden, die Grenzen zum Kriegsgebiet besser zu kontrollieren und die Unterstützung für den kurdischen Widerstand gegen den IS zumindest nicht zu behindern. So kann Kobane gerettet werden. Im Gegenzug muss sich die Türkei darauf verlassen können, dass die Kurden ihre Waffen nicht gegen Ankara erheben. Die längerfristige Zielsetzung aber ist komplizierter. Im Zentrum muss dabei der Sturz des Diktators in Damaskus stehen. Mit Assad hat Syrien keine Zukunft. Ohne ihn besteht zumindest der Hauch einer Chance auf Frieden. Zu solch einer langfristigen Strategie kann am Ende auch der wohl geplante Einsatz von UN-Blauhelmen gehören. Sie könnten etwa Schutzkorridore für Flüchtinge einrichten oder Flugverbotszonen sichern. Aber sie sollten nicht in der syrischen Schlacht des Jeder gegen Jeden verheizt werden.