Während über Assads Chemiewaffen diskutiert wird, geht das Morden in Syrien weiter – und der Flüchtlingsstrom nimmt zu. Deshalb ist mehr und schnellere Hilfe nötig, auch in Deutschland, meint der StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Absurder geht es kaum: der syrische Diktator Baschar al-Assad, den der Westen eigentlich entmachten will, ist – am langen Arm Russlands – plötzlich zum unverzichtbaren Mitspieler in einem Abrüstungsprozess geworden. Alle Welt redet nur über seine Chemiewaffen. Gleichzeitig lässt er weiter in Scharen Zivilisten erschießen, wie Menschenrechtler feststellen. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit nimmt die Tragödie ihren Lauf.

 

Derweil wird in Deutschland darüber gestritten, ob wir – für einen begrenzten Zeitraum – 5000 oder ein paar Tausend mehr Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen sollen. Etwa in der Größenordnung des 5000er-Kontingents fliehen täglich Männer, Frauen und vor allem Kinder vor dem Bürgerkrieg in die Nachbarländer. Diese beweisen mit der Aufnahme von mittlerweile fast zwei Millionen Heimatlosen eine unendliche Leidensfähigkeit und Solidarität. Die Anrainerstaaten benötigen zweifellos mehr Unterstützung, da die Region mit der größten Flüchtlingskatastrophe des Jahrhunderts nicht alleingelassen werden darf. Doch müssen wir uns auch fragen, ob wir hierzulande genug für die Syrer tun.

Beim Wähler lässt sich mit dem Thema nicht punkten

Derzeit herrscht Wahlkampf, was parteiübergreifende Lösungen erschwert. Gerade die bayerische Landesregierung lehnt über ihren bisherigen Anteil hinaus die Aufnahme von Syrern ab. Entsprechend will sich auch CSU-Innenminister Friedrich nicht zum Vorreiter einer humanitären Bewegung machen, weil dies die eigene Klientel im Freistaat erschrecken könnte.

Beim Wähler lässt sich mit dem Thema nicht punkten. Auch deshalb haben etliche von SPD und Grünen geführte Länder ohne großes Aufsehen ihre Bereitschaft erklärt, einen erleichterten Familiennachzug zu ermöglichen, sofern die bereits hier lebenden Verwandten dafür aufkommen. Ebenso wenig bemerkt wurde, dass zuvor binnen zwei Jahren etwa 18 000 Syrer Asyl in Deutschland beantragt haben. Den Flüchtlingsstatus bekommen die meisten von ihnen nicht zugesprochen. All die Beschränkungen weisen darauf hin, dass selbst rote und grüne Regierungspolitiker nicht an einem größeren Zustrom interessiert sind.

Ein nationaler Konsens wäre sinnvoll

Die ersten Kontingentflüchtlinge sind gelandet – bis alle 5000 eingeflogen worden sind, brennen die Weihnachtskerzen. Die Zeit verrinnt, so dass die bürokratischen Hemmnisse der Misere vor Ort unangemessen erscheinen. Ist es ein Wunder, wenn seit August 3300 Syrer in ihrer Verzweiflung per Boot nach Italien geflohen sind? Diesen riskanten Weg als normal zu akzeptieren wäre unmenschlich.

Fraglos müssen auch die europäischen Partner in die Pflicht genommen werden – es ist höchste Zeit für eine EU-Flüchtlingskonferenz. Deutschland tut schon mehr als andere Staaten, könnte aber seine beispielgebende Rolle noch überzeugender ausfüllen. Während des Bosnienkriegs gelangten von 1992 an etwa 350 000 Kontingentflüchtlinge zu uns, ohne dass eine Situation der Überforderung eingetreten wäre. Sinnvoll wäre es daher, wenn sich Bund und Länder möglichst nach der Wahl auf einen nationalen Konsens im Umgang mit den syrischen Vertriebenen verständigten.

Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland wächst deutlich. Das hat nicht nur mit Syrien zu tun. Weltweit geht die Schere zwischen Arm und Reich auseinander. Die Menschen sehen hier einen friedlichen Zufluchtsort und hoffen angesichts des günstigen Arbeitsmarktes auf Beschäftigung. Keinesfalls sollte die Politik aus Sorge vor einem verstärkten Rassismus, wie er sich in Berlin-Hellersdorf gezeigt hat, den Neuankömmlingen zu hohe Hürden auflegen. Die Bundesrepublik gibt sich doch auch sonst so weltoffen und übernimmt in vielerlei Hinsicht Verantwortung für die globalen Geschicke. Dies muss auch im Umgang mit den Kriegsflüchtlingen gelten – wenn die Regierung schon nicht politisch dazu beitragen kann, Assads Morden zu bremsen.