Die Wahl des neuen EU-Parlamentspräsidenten hat nichts mit politischer Kungelei zu tun, sondern ist bewährte Praxis in vielen Parlamenten, kommentiert unser Redakteur Markus Grabitz.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Strassburg - Die Wahl des Parlamentspräsidenten verlief so, wie es sich nach demokratischen Spielregeln gehört. Die Fraktionen haben Kandidaten aufgestellt. Und als in den ersten Wahlgängen keiner die notwendige absolute Mehrheit erringen konnte, haben sie sich auf einen Kompromisskandidaten geeinigt. Das hat nichts mit politischer Kungelei zu tun, sondern ist bewährte Praxis in vielen Parlamenten.

 

Konzentration auf Repräsentation

Klar ist, dass der neue Mann an der Spitze des europäischen Hauses, der Italiener Antonio Tajani, einen anderen Stil pflegen wird als sein Vorgänger Martin Schulz (SPD). Er wird sich stärker darauf konzentrieren, das Parlament nach außen zu repräsentieren, und für einen reibungslosen Betrieb sorgen. Auch das ist kein Makel. Dies entspricht eher der Rolle eines Parlamentspräsidenten. Schulz hatte sein Amt sehr parteipolitisch ausgeübt. Wenn künftig die Fraktionsvorsitzenden mehr ins Rampenlicht kommen, nähert sich damit das Europaparlament der Praxis in nationalen Parlamenten an.

Jubel nicht angebracht

Für den deutschen CSU-Politiker Manfred Weber ist es ein Erfolg, dass er noch eine Allianz mit den Liberalen geschmiedet hat. Nur so konnte der Chef der EVP-Fraktion eine drohende Niederlage abwenden. Vermutlich wird sich künftig an der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Parlament und Kommission gar nicht so viel ändern. EVP und Liberale werden wichtige Gesetzgebungsverfahren unterstützen und die fehlenden Stimmen bei Konservativen und Sozialisten einsammeln. Jubeln über die neue informelle bürgerliche Koalition, die sich da abzeichnet, ist aber auch nicht angebracht. Zur konservativen EKR-Fraktion gehören EU-Skeptiker und Bremser wie die britischen Tories und von der polnischen PIS. Auf diese Hilfstruppen darf Weber nicht stolz sein.

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