Die jüngsten Skandale werden die zweite Amtszeit von US-Präsident Obama überschatten, meint der Washingtoner StZ-Korrespondent Damir Fras. Obama wird mehr mit sich selbst als mit seiner Politik beschäftigt sein.

Washington - Der 37. Präsident der USA war mindestens ein Gauner. Manche nennen den Republikaner Richard Nixon sogar einen Verbrecher. Wie auch immer: Nixon hat aus dem Weißen Haus heraus eine schändliche Kampagne gegen seine politische Gegner dirigiert. Sie ging als Watergate-Affäre in die Geschichte ein. Nixon musste als bisher einziger US-Präsident mitten in seiner zweiten Amtszeit zurücktreten. Fast 40 Jahre danach erfährt der Begriff Watergate in den USA eine Wiederbelebung. Angesichts der vielen Skandale und Skandälchen, die den amtierenden Präsidenten Barack Obama plagen und seine politische Arbeit lähmen, sind viele oppositionelle Republikaner in eine Art Blutrausch verfallen. Sie sagen voraus, Präsident Nummer 44 werde – so wie Nixon – sein Amt vorzeitig abgeben müssen. Das aber ist nicht nur eine verwegene Interpretation der Geschichte. Das ist schlichtweg falsch. Ein Vergleich Obamas mit Nixon verbietet sich.

 

Um nicht missverstanden zu werden: Es ist unentschuldbar, dass die US-Steuerbehörde konservative Unterstützergruppen besonders scharf kontrolliert hat, wenn diese das steuerliche Privileg der Gemeinnützigkeit beantragt haben. Nur gibt es bisher, anders als im Fall Nixon Anfang der 70er Jahre, keinen einzigen Hinweis darauf, dass Präsident Obama diese Gesinnungsschnüffelei angeordnet hat. Auch der zweite Vorgang taugt nicht dazu, Obama zu stigmatisieren.

Die Bespitzelung ist ein wahrer Skandal

Der Terrorangriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi im vergangenen September kam überraschend. Es gibt keinen Beleg dafür, dass Obama den Tod von vier Amerikanern nachträglich politisch instrumentalisiert hat, um die Chancen für seine Wiederwahl nicht zu belasten. Bengasi-Gate ist nicht real, sondern nur Ausdruck der Besessenheit vieler Republikaner, die die Wahlniederlage ihres Kandidaten Mitt Romney immer noch nicht verwunden haben.

Dagegen ist die Bespitzelung der Nachrichtenagentur AP ein wahrer Skandal. Das Justizministerium hat sowohl die Pressefreiheit als auch das Vertrauen in die Regierung schwer beschädigt. Wenn die Republikaner in den USA sich jetzt als beste Freunde der Journalisten stilisieren, dann müssen sie auch an den Beifall erinnert werden, den sie ihrem Präsidenten George W. Bush gezollt haben, als er nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die USA zu einem Hochsicherheitsstaat umbaute. Darin ist Paranoia zu einem festen Bestandteil behördlicher Ermittlungen geworden. Obama führt nur fort, was Bush begonnen hat. Das allein ist schlimm genug. Doch die Republikaner sind die letzten, die das glaubwürdig kritisieren können.

Auswirkungen auf die restliche Amtszeit

Es gibt vieles, womit Obama in den vergangenen viereinhalb Jahren enttäuscht hat. Das Gefangenenlager Guantanamo existiert immer noch. Der von Bush begonnene schmutzige Krieg mit Drohnen ist ausgeweitet worden. Der erste schwarze Präsident der USA, ein Verfassungsrechtler überdies, hat die Bürgerrechte nicht gestärkt, sondern geschwächt. Er hat es entgegen vieler Ankündigungen auch nicht vermocht, die in zwei verfeindete Lager gespaltene US-Gesellschaft zu versöhnen.

Aber all das ist seit Jahren bekannt und hat mit den aktuellen Skandalen nichts zu tun. Kritik an diesen Verfehlungen ist übrigens von den Republikanern nicht zu hören. Das liegt daran, dass sie selbst nichts getan haben, um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, dass sie kein Problem mit Guantanamo haben und Bürgerrechte nur für ihresgleichen reklamieren.

Dennoch werden die Skandale dieser Woche gewaltige Auswirkungen auf die restliche Amtszeit Obamas haben. Der Präsident wird mehr mit sich selbst beschäftigt sein als mit seinen ehrgeizigen Reformplänen. Die Opposition wiederum wird noch weniger als bisher zum Kompromiss bereit sein. Die USA sind eine gelähmte Macht.