Natürlich kann VW einen Richter angreifen und als befangen ablehnen. Besser aber wäre es, wenn der Autokonzern in der Dieselaffäre endlich mit offenen Karten spielen würde, kommentiert StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Man kann gut verstehen, dass Volkswagen über den Beschluss eines Stuttgarter Richters wenig begeistert ist. Es sind schon sehr weitreichende Überlegungen zum Dieselskandal, die der Vertreter des Landgerichts darin anstellt – jedenfalls gemessen daran, dass er eigentlich nur eine Entscheidung des übergeordneten Oberlandesgerichts zur Frage der Zuständigkeit erwirken wollte. Seinen Spielraum hat er gewiss voll ausgenutzt, womöglich auch etwas überdehnt.

 

Gleichwohl verwundert das schwere Geschütz, das der Autokonzern gegen den Richter auffährt – bis hin zu sehr persönlichen Vorwürfen. Immerhin handelt es sich nicht um ein Urteil, sondern nur um eine vorläufige Einschätzung, die auch als solche kenntlich gemacht ist. Unangenehm ist für VW vor allem, dass der Beschluss nicht unbemerkt in Gerichtsakten schlummert, sondern über den „Bundesanzeiger“ weite Verbreitung findet. Für Klagen gegen den Konzern ist das willkommene Munition.

Wusste die VW-Spitze wirklich nichts?

Vielen Geschädigten dürfte der Richter aus dem Herzen sprechen, wenn er anzweifelt, dass die VW-Spitze wirklich nichts von den Abgasmanipulationen gewusst habe. Die jetzt zutage geförderten Notizen für den Vorstandschef Winterkorn verstärken diese Zweifel noch erheblich. Das sieht der Stuttgarter Richter aus der Distanz vielleicht klarer als manche Kollegen, die näher an der Konzernzentrale sitzen.

Überzeugender als die Attacken auf ihn wäre eine andere Antwort von VW: volle Transparenz. Doch die bleibt der Konzern weiterhin schuldig. Nicht nur auf den Untersuchungsbericht der beauftragten Anwaltskanzlei wartet die Öffentlichkeit bis heute, auch im Stuttgarter Prozess halten die VW-Vertreter vom Gericht angeforderte Dokumente zurück. Das nährt natürlich den Verdacht, der fragliche E-Mail-Verkehr sei belastend für den Konzern. Wenn VW vermeiden will, dass ein Richter oder die Öffentlichkeit falsche Schlüsse aus seiner lückenhaften Darstellung der Vorgänge ziehen, gäbe es ein probates Mittel: endlich alle Fakten offenzulegen.