Der amerikanische Präsident Barack Obama muss im Wahljahr auf die Schwäche der Republikaner hoffen, meint StZ-Autor Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Wo ist die Hoffnung hin? Vor vier Jahren herrschte zu Beginn des Vorwahlkampfes bei den Demokraten Aufbruchstimmung. Dass ein unbekannter, junger Senator namens Barack Obama die in ihrer Partei fest verankerte Hillary Clinton verdrängen würde, hatte kaum jemand auf der Rechnung. Und dass er am Ende zum ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, war ein politisches Wunder. Vier Jahre später hat Barack Obama keinen innerparteilichen Gegner zu fürchten. Die USA haben sich verwandelt - aber nicht in die Richtung, wie sich das Obamas damalige, oft sehr junge Wahlkampfhelfer erträumt haben. Der einstige Hoffnungsträger ist nach einem ambitionierten Start im Klein-Klein der amerikanischen Politik versunken. Das liegt sicherlich nicht nur an Obama selbst. Die Finanz- und Strukturkrise der USA hätte wohl auch den begabtesten Politiker an seine Grenzen gebracht. Im Rahmen seiner Möglichkeiten hat der US-Präsident passabel agiert - vor allem angesichts eines zerstrittenen und gelähmten Kongresses, in dem nicht einmal seine Parteifreunde immer mit ihm an einem Strang zogen.

 

Die Banken sind stabilisiert, das Finanzsystem ist zum Teil reformiert, die Autoindustrie ist gerettet, Osama bin Laden ist tot, und das letzte Urteil über die dämonisierte Gesundheitsreform steht noch aus. Doch nur passabel zu regieren ist für den Hoffnungsträger von einst ein Absturz. Vier Jahre nach Beginn eines cleveren Wahlkampfes rächt sich die damalige Strategie, Obama als unbeschriebenes Blatt zu verkaufen, auf das jeder, vom frustrierten Republikaner bis zum Linksaußen seine eigenen Vorstellungen projizieren konnte. Wer sich heute Obamas Wahlkampfreden von damals anhört, der stellt fest, wie lyrisch sie waren - und wie vollkommen inhaltsleer.

Visionen sind verpufft

Mit Visionen kann der Präsident zu Beginn des Jahres 2012 nicht mehr dienen. Seine Überlebensstrategie für die Wahl am 6. November lässt sich in einer einzigen Frage zusammenfassen: Wollt ihr wirklich die bisher wenig überzeugende republikanische Alternative? Auf den ersten Blick ist es ein Vorteil für Obama, dass nicht nur der Elan seiner Anhänger, sondern auch der Schwung der Tea-Party-Bewegung erlahmt ist. Die Unfähigkeit der Rechtspopulisten, sich für die am Dienstag in Iowa beginnenden Vorwahlen der Republikaner auf eine Gegenfigur zu dem vom Parteiestablishment favorisierten Mitt Romney zu einigen, ist ein Zeichen dieser Schwäche.

Doch bei genauerem Hinsehen ist das für Obama keine gute Nachricht. Der Ex-Gouverneur von Massachusetts hat den Sieg nicht in der Tasche, aber er ist der Favorit. Romney wäre für Obama ein unangenehmer Gegner, weil er die Entscheidung weniger auf dem Feld der Ideologie, sondern der Wirtschaftskompetenz suchen wird. Wenn aber die Wahl zu einem Referendum über die ökonomische Lage wird, dann muss Obama zittern. Vieles hängt da von Entwicklungen ab, auf die er keinen Einfluss hat.

Denn die Wahl dürfte auf einem Kontinent mit entschieden werden, auf dem es wohl immer noch mehr Obama-Anhänger gibt als in den USA selbst: Ob 2012 Europa seine Währungskrise bewältigt, ist eine Schlüsselfrage für die US-Konjunktur. Auch auf ideologischer Ebene ist die Misere des Alten Kontinents eine Belastung. Obamas Gegner werden nicht müde zu betonen, dass der Präsident auf in Europa angeblich gescheiterte Rezepte setze, etwa auf eine stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft und im Sozialbereich. Das gilt als Beweis für gefährliche, unamerikanische Tendenzen im Weißen Haus. Obamas Modell vom partnerschaftlichen Staat hat angesichts der US-Wirtschaftslage an Strahlkraft verloren. Der Präsident muss es schaffen, die Wähler noch einmal davon zu überzeugen, dass sein Modell dem republikanischen Laisser-faire überlegen ist. Und da hat er 2012 einen steilen Pfad vor sich.