Mit dem Flughafendebakel ist die Strahlkraft des Regierenden Bürgermeisters erloschen. Seine Partei stützt ihn – noch. Doch für die Lösung der aktuellen Probleme in der Stadt ist Wowereit nicht der richtige Mann, meint StZ-Redakteurin Katja Bauer.

Berlin - Muss Klaus Wowereit zurücktreten? Muss er – oder kann er nur auf diese Weise – die Verantwortung für das Flughafendesaster übernehmen? Die Idee der politischen Verantwortung hat nichts mit persönlicher Schuld zu tun. Die politische Verantwortung entsteht aus dem Amt, das jemand ausübt.

 

Der Begriff allerdings ist dehnbar. Es ist scheinheilig, so zu tun, als verweigere Wowereit sich einer moralischen Pflicht, als verstoße er gegen ein Gebot des Anstandes. Es sind schon Politiker für Nichtigeres zurückgetreten, und es sind welche trotz folgenreicherer Probleme im Amt geblieben. Oft ist es weniger der äußere Anlass, der die Entscheidung forciert, als die begleitenden Umstände. Mancher bleibt allein deshalb, weil er nicht gehen kann. Böte sich in der Berliner SPD ein Nachfolger an, müsste die Partei bei einer Neuwahl nicht den Absturz ins Bodenlose fürchten, wäre nicht in einer Woche Landtagswahl in Niedersachsen, stünde nicht die Bundestagswahl in diesem Jahr bevor: Berlin wäre inzwischen viel wahrscheinlicher ohne Bürgermeister.

Wowereit hat seine Strahlkraft verloren

Will einer nicht gehen, so gibt es in einer parlamentarischen Demokratie Instrumente, ihn zum Gehen zu zwingen: sowohl das Volk als auch seine Vertreter haben jederzeit die Möglichkeit, dem Verantwortlichen ihr Vertrauen zu entziehen. Möglich wäre ein Volksbegehren für Neuwahlen, in Berlin wird darüber diskutiert. Heute entscheidet das Parlament zunächst über einen Misstrauensantrag der Opposition. Wowereit wird ihn vermutlich überstehen.

Danach müsste er wieder in der Lage sein, seine Verantwortung im Amt wahrzunehmen. Aber genau daran bestehen Zweifel. Denn die Koalition versammelt sich rein aus Gründen des Machterhaltes hinter Wowereit. Längst ist in der SPD klar, dass die Flughafenkrise das Ende einer Entwicklung ist. In ihr zeigt sich, dass Wowereit verloren hat, was er zum Regieren braucht: erst seine Strahlkraft, dann die Tuchfühlung mit der Stadt und nun auch ein Gutteil seiner Handlungsfähigkeit.

In Berlin türmen sich neue Probleme auf

Ein Jahrzehnt hat Wowereit Berlin geprägt. Er erlangte die Macht von Eberhard Diepgen, einem Mann, dessen Zeit zu Ende war und der nicht gehen wollte. Und er schaffte es mit seiner Mischung aus Salonlöwenhaftigkeit und Schnauze, der Stadt ein neues Image einzuhauchen. Das piefige Nachwende-Berlin der Westberliner Goldknopfjacken-CDU wurde zur hippen Metropole, in die Künstler, Kreative und junge Menschen aus der ganzen Welt strömten. Wowereit hat mit der boomenden Kreativwirtschaft nicht nur gefeiert, er hat sie politisch gefördert. Er ist als Person mit dem Bild vom aufstrebenden, aufregenden und auch leichtlebigen Berlin verschmolzen.

Inzwischen ist die Stadt an einem anderen Punkt angelangt. Es haben sich Probleme aufgetürmt, mit deren Lösung Klaus Wowereit sich nicht mehr glaubwürdig verknüpfen kann. Die SPD ist in Wahrheit längst selbst zu dieser Überzeugung gelangt und hat den Generationswechsel an der Spitze der Partei im vergangenen Jahr vollzogen. Explodierende Mieten, soziale Verdrängung, Fragen der Integration in einer Stadt, in der jedes zweite Kind aus einer Migrantenfamilie kommt, das größte Armutsrisiko der Republik, schlechte Noten in der Bildung – das sind die Aufgaben, die auf einen Regierenden Bürgermeister warten. Sie warten schon eine Weile. Dazu braucht es Kraft, Nähe zu den Themen und eine sichere Machtbasis. All das hat Klaus Wowereit nun spätestens in der Flughafenkrise verloren.

Zu Recht hat die grüne Oppositionsführerin Ramona Pop in dieser Woche im Parlament die Frage gestellt, ob man einem so angeschlagenen Politiker wie Wowereit noch zutrauen könne, beispielsweise die Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich für Berlin erfolgreich zu führen. Die Antwort liegt auf der Hand. Wer so schwach wirkt, sollte den Ring verlassen.