Am Mittwoch hat Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger sein Ausscheiden aus dem Amt Ende September angekündigt – ein Jahr vor dem regulären Ende seiner Amtszeit. Nach 23 Jahren hat er aber jedes Recht der Welt, den Zeitpunkt seines Abschieds selbst zu bestimmen, meint EZ-Lokalchef Johannes M. Fischer.

Esslingen - Als Jürgen Zieger vor 23 Jahren das Esslinger Oberbürgermeisteramt übernahm, war die Welt eine andere. Besser gesagt, sie stand auf der Schwelle, eine andere zu werden. Der Ost-West-Konflikt war Vergangenheit, der Traum vom ewig friedlichen Ende der Geschichte noch nicht ausgeträumt. Die Ära Kohl ging zu Ende, die SPD stellte mit Gerhard Schröder seit einer halben Ewigkeit wieder einen Kanzler. Ein Sänger namens Guildo Horn landete mit einem Lied wie „Piep, Piep, Piep, Guildo hat euch lieb“ einen großen Hit. Und Jürgen Zieger machte einen großen Karriereschritt. Er war damals knapp über 40 und wurde Oberbürgermeister von Esslingen.

 

Gleichzeitig – sogar am selben Tag – trat Wilfried Wallbrecht das Amt des Baubürgermeisters an und wurde Ziegers langjähriger Kollege. Wallbrecht kündigte bereits vor einer Weile seinen Rückzug an. Er wird im Sommer aufhören. Wenn Zieger dann wenig später im September in den Ruhestand geht, hat eine Generation Abschied genommen, die Esslingen, seine bauliche Entwicklung, aber auch die Stadtgesellschaft selbst stark geprägt hat. Es ist aber auch eine Generation aus einer anderen Zeit, die für die Nachfolger bestenfalls Geschichte ist. Zieger spricht gerne über das Weltgeschehen und das große Ganze. Wer auch immer ihm folgt – es wird sehr wahrscheinlich ein Mensch sein, der eine andere Sprache spricht und einen anderen Politikstil mitbringt.

Suche nach Nachfolgekandidaten wird turbulent

Als Zieger gestern seine Rückkehr ins private Leben und damit den Abschied aus der teils inspirierenden, teils aber auch sehr mühevollen Arbeit in der Kommunalpolitik verkündete, wirkte er gelöst. Er hat viel und lange für die Stadt gearbeitet und gekämpft, und deshalb hat er auch jedes Recht der Welt, den Zeitpunkt seines Abschieds selbst zu bestimmen. Auf ihn wartet nun eine deutlich ruhigere Zeit. Für einen, der die Bühne liebt und gerne Publikum hat, wird das nicht immer einfach.

Turbulent wird es dagegen für alle anderen. Geeignete Nachfolger müssen in kürzester Zeit gesucht und in der Stadt bekannt gemacht, Wahlen vorbereitet werden. Sie werden wohl eher nach als vor der Sommerpause stattfinden. Dennoch: Es ist knapp. Der Langläufer Zieger nennt sich selbst Marathon-Mann, auch im übertragenen Sinne. Den Lauf hat er im September hinter sich. Den Parteien und Bewerbern aber bleibt jetzt nur der Sprint.