Das Übereinkommen von Genf muss seinen wahren Wert erst noch unter Beweis stellen, meint der StZ-Redakteur Dieter Fuchs. Er sieht die israelische Regierung mit ihrer rigiden Haltung bereits jetzt im politischen Abseits.

Seite Drei: Dieter Fuchs (fu)

Genf – In einer besonders dunklen Nacht erregt schon ein brennendes Streichholz große Aufmerksamkeit. Nur mit einem solchen Effekt ist zu erklären, warum manche Beobachter jetzt von einem historischen Durchbruch in den Atomverhandlungen mit dem Iran sprechen. Seit mehr als dreißig Jahren beharken sich vor allem der Iran und die USA. George W. Bush sprach von der „Achse des Bösen“, Irans Führer vom „Satan“ im Westen. Seit fast zehn Jahren wird auf UN-Ebene über das iranische Atomprogramm verhandelt, ohne jeden nachweisbaren Erfolg. Und nun haben sich beide Verhandlungsparteien tatsächlich bewegt. Der Iran bietet pragmatische Zugeständnisse an, die Vertreter der Sanktionsmächte rücken von ehedem unverhandelbaren Grundsätzen ab. Doch weil es in diesem Streit vor allem um fehlendes Vertrauen geht, das über Jahre hinweg wachsen muss, ist der Verhandlungserfolg vom Wochenende nur ein erster Schritt.

 

Grundlage für die Vereinbarung der Fünf-plus-eins-Verhandlungsdelegation – die fünf UN-Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und eben Deutschland – mit dem Iran ist das gemeinsame Interesse, den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen. Alle wollten ein wenig Ruhe in die gegenseitigen Beziehungen bringen. Die Wahl des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani im August, orchestriert vom Revolutionsführer Ali Chamenei, gab den entscheidenden Impuls.

Rohani gilt als pragmatischer Konservativer, der bei seiner Antrittsrede schon klarmachte, er sei gewählt worden, um das Leben der iranischen Bürger und ihrer Kinder zu verbessern. Das geht nur, wenn die Sanktionen der Weltgemeinschaft mittelfristig gelockert werden. So macht er jetzt Politik. Versöhnliche Töne gegenüber dem Westen und Israel gehen einher mit der Reduktion von waffenfähigem Uran. Der Westen kann nun glaubhaft machen, dass sich Teheran bewegt und weiter bemüht. Das verringert die Kriegsgefahr im Mittleren Osten, und die US-Administration kann sich anderen Brandherden zuwenden – sofern die Konservativen in Washington den Kompromiss nicht zerstören.

In einem halben Jahr wird man den Wert des Deals erkennen

Die Vetomächte und Deutschland haben im Gegenzug in Genf betont, dass grundsätzlich alle Staaten ein Recht auf die friedliche Nutzung von Atomenergie haben – und damit auch der Iran. Eine Selbstverständlichkeit des internationalen Rechts, von den Verhandlungsführern bisher ignoriert, vor allem von Israel vehement bestritten. Hinter diese Feststellung werden die Sanktionsstaaten nicht mehr zurückkönnen – ein Erfolg für Teheran.

In sechs Monaten wird erkennbar werden, was die Vereinbarung vom Wochenende wert ist, nämlich dann, wenn es um die Kontrollrechte der internationalen Atomenergiebehörde IAEO geht. Wenn der Iran gemäß internationalen Standards Zugang zu seinen Atomanlagen gewährt, auch zu der militärischen Einrichtung in Parchin, wird das Vertrauen weiter wachsen.

Wann allerdings ein positiver Wendepunkt für Israel erreicht sein wird, bleibt dahingestellt. Die Regierung in Jerusalem hat sich mit ihrem Säbelgerassel ins Abseits gestellt. Es ist schon wahr: ohne den Alarmismus Israels hätte vor allem die EU den Konflikt niedriger gehängt. Unbestreitbar ist auch, dass vor allem Israel mit den Folgen einer eventuellen atomaren Bewaffnung würde leben müssen. Wenn allerdings allein der Standpunkt geltend gemacht wird, dass nur Israel Atommacht in der Region sein darf und man den Mullahs gar nichts glauben dürfe, muss man sich nicht wundern, dass sogar der wichtigste Verbündete Israels, die USA, in dieser elementaren Angelegenheit eigene Wege geht. Mindestens genauso wichtig wie die Vereinbarung des Wochenendes wäre es, dass Israel konstruktiv an einer Friedenslösung mitarbeiten würde – das wäre dann als Durchbruch zu bezeichnen.