Modernisierung muss sein. Aber der Charme des Bad Berg muss erhalten bleiben, fordert StZ-Redakteur Jörg Nauke

Stuttgart - Nichts gegen Projektsteuerer. Sie erledigen ihre Arbeit vorgeblich ohne jene "nostalgische und ideologische Scheuklappen", die sie bei Stadträten befürchten. Sie untersuchen und kalkulieren vielmehr nach dem Willen des Auftraggebers. Würden sie in Rom arbeiten, müsste man sich nicht wundern, wenn sie den Stadtoberen den Abriss des Colosseums mit dem Hinweis auf zu hohen Instandhaltungsaufwand und den Anbau eines 5-Sterne-Hotels empfehlen würden.

 

Der Stuttgarter Kommunalpolitik haben solche Kontrolleure nun also ans Herz gelegt, das "Neuner" zu schleifen und es in ein poppiges Freibad zu verwandeln, für das dann allerdings noch ein Alleinstellungsmerkmal gefunden werde müsste.

Das Berger Bad abreißen! Geht's noch?

Natürlich nagt der Zahn der Zeit mit Unterstützung des aggressiven Sauerwassers an Gebäuden und Leitungen. Wen wundert das? Schließlich hat die Stadt dort, wie auch in den Schulen, viel zu wenig in die Sanierung investiert und stattdessen übertriebene Schuldentilgung betrieben. Aber mit dem Verfall wächst der Charme, den dieses Bad von vorgestern verströmt und es besonders bei den vielen älteren Besuchern beliebt macht. Das "Neuner" ergänzt das Angebot an Mineralbädern in Stuttgart. Nostalgie pur in Verbindung mit den herrlichen Liegewiesen ist ein Alleinstellungsmerkmal.

Natürlich dürfen Umbau- und Betriebskosten nicht ausufern. Aber das Bad braucht keine Luxussanierung. Es gibt viele Beispiele von Einrichtungen, die der Rathausspitze lieb und sehr teuer sind. Verwaltung und Gemeinderat sind gut beraten, über Lösungen zu diskutieren, die bezahlbar sind und den Charakter des Bades erhalten. Dafür braucht es zufriedene Stammgäste - sommers wie winters.