Am Montag ziehen die ersten Mitarbeiter in das neue Gebäudes des Bundesnachrichtendiensts in Berlin ein. Es wäre aber an der Zeit zu klären, was wir vom BND erwarten, meint der StZ-Redakteur Thomas Maron.

Berlin - Der Bundesnachrichtendienst wird in dieser Woche gleich zweimal in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Am Montag ziehen die ersten Mitarbeiter in die neuen BND-Gebäude in Berlin ein. Für Gerhard Schindler, den Präsidenten des Auslands-Geheimdienstes, Gelegenheit, sein Ziel weiter zu verfolgen, das Image einer zwielichtigen Schnüffeltruppe mit Schlapphüten abzuschütteln. Mitte der Woche wird dann der Untersuchungsausschuss des Bundestags beginnen, die NSA-Affäre aufzuarbeiten. Weil aber weder die Vorder- und Hintermänner der NSA und der US-amerikanischen Regierung noch ihre Pendants beim ebenfalls auffällig gewordenen britischen GCHQ kaum bei den Abgeordneten des Bundestags ihre Aufwartung machen werden, wird die Rolle des BND ins Zentrum des Interesses rücken.

 

Das wird zu der Frage führen, was uns der BND eigentlich wert ist. Was soll er leisten? Was nicht? Was sollten wir ihm versagen? Das sind unangenehme Fragen, denn sie zwingen dazu, nicht nur über die Datengier der Dienste empört zu sein, sondern auch umgekehrt zu bekennen, auf welches Maß an Sicherheit man bereit ist zu verzichten, um Freiheitsrechte zu wahren.

Wäre es sinnvoll, auf die NSA-Informationen zu verzichten?

Eines ist klar: Es ist unmöglich, sich von den nachrichtendienstlichen Fähigkeiten der USA zu emanzipieren. Die NSA verfügt über ein Budget von rund acht Milliarden Euro, der BND haushaltet mit 500 Millionen. 40 000 NSA-Mitarbeiter stehen knapp 6000 BND-Mitarbeitern gegenüber. Allein diese Zahlen machen deutlich, dass der BND die Spionagepotenziale der USA nicht annähernd übernehmen kann.

Wäre es dann sinnvoll, darauf zu verzichten? Das kann keiner wollen, der anerkennt, dass Deutschland international eine komplexere Rolle spielt als noch zu Zeiten des Kalten Krieges, als man unter einem nuklearen Abwehrschirm zwar kein souveränes, aber dafür außenpolitisch übersichtliches Dasein fristete. Deutschland wird von seinen Partnern aufgefordert, in kleinen und großen internationalen Krisen zu vermitteln, und schafft sich so womöglich Gegner, die sich im schlimmsten Fall den einen oder anderen Bahnhof hierzulande für ihre Anschlagspläne auswählen. Bundeswehrsoldaten sind weltweit im Einsatz. Ohne Informationen der Partnerdienste ließe man sie im Stich.

Die Kontrolle des BND ist ein Witz

Mit der außen- und sicherheitspolitischen Bedeutung der Dienste wächst die Versuchung, noch mehr, am besten alles zu wissen, und sei es für den Fall der Fälle. Es ist nun mal das Wesen eines Geheimdienstes, vor keiner Grenze und keinem Internetanschluss halt zu machen. Ein Raubtier will jagen. Man kann es nicht zähmen. Aber man kann versuchen, Zäune zu ziehen, die hoch genug sind, die Gefahr zu begrenzen und den Nutzen zu wahren. Vor diesem Hintergrund sind die Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle nicht nur in Deutschland ein Witz. Das ist der eigentliche Skandal: Ein paar Abgeordnete sollen im Nebenjob mit lächerlichen Recherchemöglichkeiten den Diensten wirksam auf die Finger gucken und prüfen, ob deren Maßnahmen verhältnismäßig sind. Es ist unbegreiflich, weshalb es nicht gelingt, angesichts des wachsenden Einflusses der Dienste das Amt eines hauptamtlichen Geheimdienstbeauftragten mit eigenem Mitarbeiterstab zu schaffen.

Die Kontrolleure der Dienste sollten sich außerdem, ähnlich wie dies die Dienste selbst tun, künftig international austauschen. Die Chancen dafür stehen so schlecht nicht. In den USA sind einige Abgeordnete von Spekulationen aufgeschreckt worden, die NSA spioniere vorsichtshalber sogar die eigenen Volksvertreter aus. Womöglich bricht dies ja den naiven Glauben daran, bei den eigenen Diensten würden nur die Guten arbeiten, und erhöht zugleich die Bereitschaft, dieser unheimlichen Macht endlich eine ebenbürtige Kontrolle entgegen zu setzen.