Noch ist die ganz große Begeisterung für das Thema Ausbau der digitalen Infrastruktur im Rathaus nicht zu erkennen. Dabei birgt die Herausforderung auch Chancen, meint StZ-Redakteur Christian Milankovic.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann, in etwa das Gegenteil eines digital natives, eines von Kindesbeinen mit moderner Kommunikationstechnik Vertrauten, gibt die Marschroute vor. Er benötige noch eine zweite Amtszeit, weil vieles von dem, was ihm wichtig erscheint, nicht so schnell zu realisieren sei wie gewünscht. Dazu zählte der Grüne in einem Interview ausdrücklich auch die digitale Revolution in der Industrie. Doch Umwälzungen funktionieren eben nicht mit langer Leitung.

 

Schwarzes-Peter-Spiel ganz analog

Womit wir in Stuttgart angelangt wären. Denn angesichts der Worte des Obergrünen im Südwesten wirkt die erste Reaktion des Stuttgarter Rathauses umso ärgerlicher auf den Vorstoß der SPD und aus Teilen der Wirtschaft, die einen raschen Ausbau der digitalen Infrastruktur fordern: Man werde die Zuständigkeit prüfen, lässt Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht mitteilen. Womöglich sei das Tiefbauamt die richtige Adresse, um für Beschleunigung auf der Datenautobahn zu sorgen, womöglich aber auch ihre eigene Abteilung. Tags darauf erklärt OB Fritz Kuhn (Grüne), er könne ja nicht alles zur Chefsache erklären, sehe aber bei den Stadtwerken die nötige Kompetenz, um das Datennetz auf Vordermann zu bringen. Das Publikum fühlt sich unweigerlich ans sehr analoge Schwarze-Peter-Spiel erinnert.

Netzausbau als Chance

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Niemand erwartet, dass Fritz Kuhn selbst mit Hacke und Spaten die ersten Meter Glasfaserkabel verlegt oder dass sich diese Aufgabe von heute auf morgen erledigt wird. Schon gar nicht ist die Stadt alleine gefragt. Sie kann aber helfen, die nötigen Allianzen zu schmieden. Etwas mehr Begeisterung für das Thema wäre also angezeigt. In einer Stadt, deren Wohl nicht zur ausschließlichen Freude des grünen OB stark vom Automobil abhängt, ist die Hinwendung zur digitalen Wirtschaft nicht nur eine Herausforderung, sondern eben auch eine Chance. Diese kraftvoll zu ergreifen, stünde Fritz Kuhn gut an.