Kommentar zum Bundesarbeitsgericht Schatten auf dem Gesetz

Das Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts zum gesetzlichen Mindestlohn zeigt auf, wie ein Arbeitgeber die Lohnuntergrenze aushebeln kann – ganz legal. Das wirft einen Schatten auf das Gesetz und zwingt die Regierung zum Nachbessern, meint Matthias Schiermeyer.
Stuttgart - Da werden viele Arbeitgeber genau hinschauen und über Konsequenzen nachdenken: Das Bundesarbeitsgericht hat ihnen quasi einen Weg aufgezeigt, wie sie den gesetzlichen Mindestlohn umgehen können – indem sie Sonderzahlungen mit dem Stundenlohn verrechnen. Wenn der Betriebsrat mitspielt, was nicht selten der Fall sein mag, brauchen sie Weihnachts- oder Urlaubsgeld nur noch über das ganze Jahr zu verteilen. Schon kann die Lohnuntergrenze unter bestimmten Umständen unter die 8,50 Euro gedrückt werden. Selbst staatliche Arbeitgeber sind, wie der in Erfurt behandelte Fall zeigt, vor Umgehungstatbeständen nicht gefeit.
Der Gesetzgeber muss Klarheit schaffen
Es geht hier wohlgemerkt nicht um ein Massenphänomen, sondern lediglich um einen Ausschnitt des Niedriglohnbereichs – aber gerade dort wurde vor Einführung des Mindestlohns Anfang 2015 so viel Schindluder getrieben. Es gibt viele Möglichkeiten zur Verrechnung des Stundenlohns. Der Gesetzgeber hat nun offenkundig die Tür zu ganz legalen Tricks offen gelassen – was nicht für die Machart der Regulierung spricht. Folglich muss an der Stelle nachgebessert werden, damit noch mehr Klarheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer herrscht. Das Urteil wirft einen Schatten auf das Gesetz, das bisher mehr Positives bewirkt hat als Nachteiliges. Die Horrorszenarien von Teilen der Wirtschaft haben sich jedenfalls nicht erfüllt. Dass die Gewerkschaften den Spruch der Bundesarbeitsrichter nun dazu nutzen, vehement nach einem höheren Mindestlohn zu rufen, darf niemanden verwundern. Allerdings steht diese Entscheidung in der regierungsunabhängigen Kommission ohnehin bald an – ganz unabhängig davon, was in Erfurt entschieden wird.
Unsere Empfehlung für Sie

Bundesregierung senkt Wachstumsprognose Jenseits des Wumms
Die Wirtschaft bleibt im Krisenmodus. Es fehlt an einem Plan für die Zeit nach Corona, kommentiert Thorsten Knuf.

Fast-Blackout Kroatisches Umspannwerk ist Ursprung
Europa ist am 8. Januar an einem großflächigen Stromausfall vorbeigeschrammt. Nun ist zumindest geklärt, wo das Ereignis seinen Anfang nahm: in einer Umspannanlage im Nordosten Kroatiens. Was aber dort den Fehler auslöste, ist noch ein Rätsel.

Puzzleboom Ravensburger jetzt im Drei-Schicht-Betrieb
Beim Spielehersteller Ravensburger war die Nachfrage im Coronajahr 2020 zeitweise größer als die Kapazitäten. Wie Ravensburger darauf reagiert und mit welchen Produkten der Spielehersteller punkten will.

Tarifverhandlungen mit Lokführern Deutsche Bahn fordert Corona-Tarifpaket
Die Deutsche Bahn sieht sich durch die Coronapandemie in der größten Krise seit ihrer Gründung – und fordert nun die Lokführergewerkschaft GDL mit dem Vorschlag eines „solidarischen Beitrags“ der Beschäftigten heraus.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs Darf ich meine Rundfunkgebühren in bar bezahlen?
Rundfunkgebühren werden normalerweise vom Konto abgebucht. Aber kann man auch bar bezahlen? Wegen dieser Frage gibt es seit 2015 einen Rechtsstreit mit dem Hessischen Rundfunk. Der Europäische Gerichtshof hat nun ein Urteil gesprochen, das Freunde der Barzahlung empört.

Sanofi bietet Unterstützung an Biontech und Pfizer erhalten bei Impfstoffproduktion Hilfe
Der französische Pharmariese Sanofi unterstützt Pfizer und Biontech bei der Produktion des Corona-Impfstoffes. Das kündigt der Chef des Unternehmens am Dienstag an.