Trotz der weiter schwelenden Eurokrise kommt der Bund beim Defizitabbau ein gutes Stück voran. Jetzt wird es Zeit, dass auch die Bundesländer aufwachen, kommentiert der StZ-Redakteur Roland Pichler.

Berlin - Der Fortschritt ist eine Schnecke – zumindest in der Haushaltspolitik. Dennoch hat sich in den vergangenen Jahren auf diesem Feld einiges getan. Zu verdanken ist dies dem früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) und dem ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck, der vor Kurzem verstorben ist. Die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission mussten seinerzeit große Widerstände überwinden, damit die Schuldenbremse Verfassungsrang erlangen konnte. Die Zweifel gegenüber automatischen Defizitbremsen waren in Parteien und Öffentlichkeit groß. Heute zeigt sich nicht nur an der europäischen Schuldenkrise, wie wichtig Schuldenregeln sind. Mit der Einführung bindender Etatvorschriften bewies die Große Koalition Weitsicht.

 

Die Bundesregierung hat nun ein Etappenziel erreicht. Vier Jahre früher als vorgeschrieben meldet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Vollzug. Auch wenn noch eine große Wegstrecke bevorsteht, ist dies ein Erfolg. Als die Schuldenbremse im Jahr 2011 in Kraft getreten ist, hatte niemand zu hoffen gewagt, dass bis 2012 eine um konjunkturelle Einflüsse bereinigte Defizitgrenze von weniger als 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht wird. Auch wenn die Koalition auf vielen Gebieten mit Streit von sich reden macht, kann sie doch in der Haushaltspolitik punkten.

Kein Anlass zur Euphorie

Sicherlich lässt sich einwenden, dass die guten Konjunkturzahlen der Jahre 2010 und 2011 einen ehrgeizigeren Defizitabbau möglich gemacht hätten. Der Koalition fehlte beispielsweise der Mut, mit einem beherzten Subventionsabbau einen Haushalt ganz ohne neue Schulden anzupeilen. Bei gutem Willen wäre dies machbar gewesen. Zur Euphorie besteht auch kein Anlass, denn die Neuverschuldung ist mit 22,5 Milliarden Euro noch beträchtlich. Die gute Nachricht ist aber, dass trotz einer Bareinlage von zehn Milliarden Euro für die Eurorettung die Nettokreditaufnahme nicht weiter gestiegen ist. Dabei hatte Schwarz-Gelb auch Glück, weil für deutsche Staatsanleihen extrem niedrige Kapitalmarktzinsen fällig werden. Dennoch bleibt es eine Leistung, dass die Regierung der Versuchung widerstand, die Ausgaben im Bundesetat von Jahr zu Jahr zu erhöhen. Mit einem ruhigen und zielstrebigen Kurs vermied der Finanzminister den Fehler früherer Regierungen, die mit neuen Sozialausgaben und Programmen dem Staatshaushalt stets neue Lasten auferlegten. Das Betreuungsgeld ist zwar eine unrühmliche Ausnahme, sie ändert aber nichts an dieser Beschreibung.

Die Bundesregierung muss nun bei schwächerem konjunkturellem Rückenwind den Beweis antreten, dass sie ihre Konsolidierungspolitik durchhält. Gerade im Wahljahr sind die Verlockungen groß. Weil aber nicht mehr viel Zeit für neue Beschlüsse bleibt, spricht einiges dafür, dass Schäuble Kurs hält. Der Bund hat ein wichtiges Zwischenziel erreicht. Da stellt sich die Frage, wie es die Länder handhaben. In der öffentlichen Wahrnehmung herrscht der Eindruck vor, allein der Bund stehe in der Pflicht. Viele Bundesländer verschieben die Wende in der Finanzpolitik lieber auf die Zukunft. Spätestens 2020 müssen die Länder ohne neue Kredite auskommen. Selbst reiche Länder tun sich schwer damit, ihre Finanzplanung rechtzeitig anzupassen. Es darf nicht passieren, dass nur der Bund und wenige Ministerpräsidenten ihre Hausaufgaben machen.

Schäuble setzt mit dem vorzeitigen Erreichen der Defizitziele noch ein anderes Signal: Opposition und Gewerkschaften sind der Meinung, der Staat habe eindeutig ein Einnahmeproblem. Deshalb plädieren SPD, Linke und Grüne für höhere Abgaben. Die Koalition zeigt: Haushaltssanierung kann ohne Steuererhöhungen gelingen.