Die Frauenquote ist ein unschönes Beispiel: In Zeiten großer Koalitionen werden Gesetze noch mehr als sonst ohne den Bundestag gemacht, meint StZ-Redakteur Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Der frühere SPD-Fraktionschef Peter Struck hat den Satz geprägt, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineingekommen ist. Dieses „Struck’sche Gesetz“ sollte das Selbstbewusstsein der Parlamentarier gegenüber Regierung, Verwaltung und Parteichefs unterstreichen. Es sollte den Willen der Abgeordneten dokumentieren, die Letztentscheidung über legislative Akte nicht nur formal, sondern auch lebenspraktisch für sich zu beanspruchen. So weit, so gut.

 

In Zeiten der großen Koalition scheint das „Struck’sche Gesetz“ allerdings noch weniger wert zu sein als zu Zeiten, in denen einer knappen Regierungsmehrheit eine starke Opposition gegenübersteht. Wer etwas an Gesetzesprojekten verändern will, tut gut daran, dies bereits in statu nascendi zu machen – also in der Phase, in der ein Gesetzestext entsteht. Der Wirtschaftsflügel der Union hat das gerade mit Erfolg am Beispiel der Frauenquote vorgeführt: noch bevor ein Gesetzentwurf vom Kabinett beschlossen ist, hat er Korrekturen zu Gunsten mittelständischer Unternehmer erreicht. Solch stille Gesetzesarbeit im vorparlamentarischen Raum erhöht die Chance der Koalitionsparteien, im Bundestag geschlossen aufzutreten. Aber es untergräbt die Autorität des Parlaments, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Opposition – und damit auf Dauer die Demokratie.