Die neue Verordnung geht an der Lebenswirklichkeit kleiner Betriebe, Schulen und Vereine nicht nur vorbei. Sie schadet ihnen.

Leonberg - Sie wundern sich, dass Sie länger nichts mehr von Ihrem Sportverein gehört haben? Oder dass die allmonatlichen Spezialangebote Ihres kleinen Allgäuer Käselieferanten ausbleiben? Dann haben Sie bestimmt übersehen, ihnen ihr Einverständnis zu geben, dass man Sie weiterhin informieren darf. Denn ohne Ihre Zustimmung sind nun den Unternehmen, wie auch den Vereinen bei der schriftlichen Ansprache die Hände gebunden.

 

So sieht es die Europäische Datenschutzgrundverordnung vor, die seit Freitag endgültig in Kraft ist. Endgültig bedeutet, dass nun „Datenvergehen“ mit empfindlichen Strafen belegt werden können. Auf den Weg gebracht wurde die Verordnung schon vor zwei Jahren.

Wust an Auflagen und Vorschriften

Das Grundansinnen ist ja richtig. Der Datenhandel ist ein blühendes Geschäftsmodell. International operierende Konzerne wie Google oder Amazon dringen krakenartig bis in die tiefste Privatsphäre der Menschen vor. Dass man im Netz jede Menge Reiseangebote für ein Ziel angeboten bekommt, über das man sich zuvor digital informiert hat, ist noch eine der harmlosesten Begleiterscheinungen.

Hier müssen gerade den ausländischen Unternehmen, denen europäische Gesetze oft herzlich egal sind, wirksame Schranken aufgelegt werden. Dass aber kleine und mittlere Betriebe, ja selbst sogar gemeinnützige Vereine und Schulen, mit einem nicht durchschaubaren Wust an Vorschriften und Auflagen überzogen werden, ist völlig kontraproduktiv und schadet dem Mittelstand. Gerade in unserer Gegend sind viele Familienbetriebe das Rückgrat der Wirtschaft und stehen für sichere Arbeitsplätze. Die Vereine wiederum sind das Bindeglied der Gesellschaft. Diese Mischung ist es, die die Region so stark macht.

Absurde Situation bei Vereinen

Für einen Betrieb, in dem vielleicht acht Menschen arbeiten, ist dieser Aufwand kaum zu stemmen. Und einen externen Berater als Datenschutzbeauftragten einzukaufen, so wie es das Leonberger Unternehmen Permatrade beispielsweise macht, das können kleine Firmen eher nicht.

Noch absurder wird es beim Blick auf die Vereine. Wie soll ein ehrenamtlicher Vorstand verstehen, was die Technokraten aus Brüssel und Berlin von ihnen wollen? Wer hat die Manpower, um bei allen Mitgliedern Einverständniserklärungen einzuholen? Besonders dann, wenn es sich um ältere Menschen handelt, die womöglich keinen E-Mail-Anschluss haben? Wie will der Verein umfassend informieren, wenn der Vorstand sich am Ende strafbar macht?

Zeitungsservice beeinträchtigt

Auch der Service unserer Zeitung wird beeinträchtigt: Jubilare, Schulabsolventen oder Konfirmanden können wir nur veröffentlichen, wenn jeder einzelne ausdrücklich zustimmt. Bisher hat eine Sammelmeldung der Schule oder Gemeinde genügt.

Es ist richtig: Daten müssen stärker geschützt werden. Aber dort, wo sie für knallharte Geschäftemacher millionenfach auf dem Präsentierteller liegen. Doch was jetzt auf unsere heimischen Betriebe und ehrenamtlich engagierten Menschen zukommt, hat nichts mit gesundem Datenschutz zu tun. Es kann Existenzen gefährden.