Man fragt sich, wie es sein kann, dass das Abrissgesuch bei einem so alten Gebäude einfach routinemäßig durchgewinkt worden ist.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Die Genehmigung für den Abriss ist erteilt, die Beseitigung eines der ältesten Häuser in der Innenstadt ist rechtens. Und doch deutet vieles darauf hin, dass sich die Stadt Stuttgart gerade bis auf die Knochen blamiert. Denn man fragt sich schon, wie es sein kann, dass das Abrissgesuch bei einem so alten Gebäude einfach routinemäßig durchgewinkt worden ist. Hätte da nicht eine Prüfung vor Ort erfolgen müssen? Und man fragt sich auch, wie die Untere Denkmalbehörde, die bei der Stadt Stuttgart angesiedelt ist, vor 13 Jahren den Schutzstatus aufgrund eines externen Gutachtens aberkennen konnte. Wäre da eine eigene neutrale Begutachtung nicht zwingend notwendig gewesen?

 

Erschreckende Gleichgültigkeit

Es scheint sich hier eine erschreckende Gleichgültigkeit bei Stadt und Land aufzutun, für die sich in den vergangenen Jahrzehnten leider viele Belege finden lassen. Vor 40 Jahren hat die Commerzbank eine Tiefgarage unter dem Schillerplatz gebaut, ohne dass die archäologischen Befunde am quasi heiligsten Ort Stuttgarts gesichert worden wären. Ein Jahrtausendfehler. Die Lusthausruine im Schlossgarten war bis vor Kurzem dem Verfall preisgegeben. Und beim Hotel Silber mussten Bürger dem Land als Besitzer sagen, dass sehr viel mehr alte Bausubstanz erhalten ist als behauptet.

Beim alten Wengerterhaus in der Firnhaberstraße mag es so sein, dass ein Großteil der originalen Steine und Balken verschwunden ist. Aber das Gebäude hat sein Aussehen und seinen Charakter bewahrt, und das ist sehr viel in einer autogerechten und teils gesichtslosen Stadt. Im Übrigen dürfte man nach dieser Logik, dass nur die alte Bausubstanz zählt, auch das Alte Schloss abreißen: Nach dem Großbrand 1931 und den Bombenangriffen im Krieg sind heute weite Teile rekonstruiert.

Historisches Erbe in Ehren halten

Die Baudokumentation am Wengerterhaus ist nun eine letzte Chance, einen Teil des alten Stuttgart für die Nachwelt zu erhalten. Die Stadt sollte die Sache in die Hand nehmen und sich mit dem Besitzer ins Benehmen setzen, eine solche Dokumentation professionell und ohne großen Zeitdruck vorzunehmen – auch wenn sich dadurch der Abriss etwas verzögert.

Gerade eine Stadt wie Stuttgart, die dabei ist, sich städtebaulich neu zu erfinden, sollte ihr historisches Erbe in Ehren halten.