Die DFL hat das umstrittene Sicherheitskonzept mit großer Mehrheit verabschiedet. Die grotesk überhitzte Debatte entstand aber erst, weil die Vereine sich nicht genug um ihre Fans kümmern, meint StZ-Redakteur Tobias Schall.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Manche glauben, dass am 21. Dezember die Welt untergeht. Manche Fans fürchteten, dass am 12. Dezember die Fußballkultur untergeht.

 

Für die aktive Fanszene ist dieser Mittwoch eine Niederlage. Ihr Protest war nicht erfolglos, hat er doch zu einer zumeist konstruktiven Debatte über die Dimension des Problems geführt, am Ende aber konnten sie sich eben nicht durchsetzen. Die DFL hat das umstrittene Sicherheitskonzept mit großer Mehrheit verabschiedet.

Operation gelungen – Patient tot?

Diese Drohkulisse hatten die Fanorganisationen skizziert, die immer wieder versucht haben, darauf hinzuweisen, dass hier ein Problem gelöst werden soll, das es in der suggerierten Dimension so gar nicht gebe – was tatsächlich auch viele Experten so sehen. Die Debatte ist final stilisiert worden zu einem „Quo vadis, Fußball?“.

Die Entscheidungen des gestrigen Tages sind nicht das Ende der bekannten Fankultur in Deutschland. Die Vereine haben Instrumente an die Hand bekommen. Zunächst mal stehen diese nur auf dem Papier. Es sind Optionen für den Fall der Fälle, daraus lässt sich erst mal keine Zwangsläufigkeit folgern. Das Entscheidende ist, wie die Vereine damit umgehen.

Positiv: Vereine setzen sich mit Fans auseinander

Der Fußball hat sich von politischen und polizeilichen Kreisen treiben lassen – so weit, dass er handeln musste, wenn er nicht riskieren wollte, dass an seiner statt gehandelt wird. Es gibt fraglos Probleme (Pyrotechnik), und es ist zweifelsfrei so, dass Wochenende für Wochenende massive Ressourcen der Polizei nötig sind, um die Sicherheit zu gewährleisten. Aber unterm Strich ist es ein Fakt: der deutsche Fußball und deutsche Stadien sind sicher.

Es sind komplexe Fragen, die sich den Vereinen in der Praxis stellen – Fragen der Verhältnismäßigkeit: Pyrotechnik im Stadion ist gefährlich, vor allem, wenn, so wie jetzt, im Fanblock unkontrolliert gezündelt wird. Wie viel Sicherheit muss es in einem Stadion geben? Wo sind die Grenzen des Zumutbaren? Was muss man akzeptieren? Es liegt aber auch an den Fans, in diesen Punkten der Politik und der Polizei nicht ständig neue Angriffsflächen zu bieten.

Wenn diese teils grotesk überhitzte Debatte etwas Gutes hat, dann das: viele Vereine haben sich offensichtlich erstmals ernsthaft mit dem unbekannten Wesen namens „Fan“ auseinandergesetzt. In Stuttgart hat sich der Dialog im Fanausschuss bewährt, andere Clubs haben großen Nachholbedarf. Es wird sich nie in allen Fragen Konsens herstellen lassen, aber ein ständiger Dialog kann helfen, Fronten nicht entstehen zu lassen und Verständnis für die andere Seite zu bekommen. Die Anhänger wollen ernst genommen – und nicht nur als Claqueure in der Kurve gesehen werden, sondern als mündige Gesprächspartner.

Es ist der Geburtsfehler des jetzigen Konzeptes, dass genau das am Anfang mal wieder versäumt worden ist.