Der Doppelpass wird Normalität in Deutschland. Die große Koalition hat den Weg frei gemacht. Dies ist sinnvoll, meint der StZ-Redakteur Armin Käfer. Er begrüßt es aber auch, dass die neue Regelung mit Auflagen verbunden ist.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Wer ist eigentlich deutsch? Seit in der Nationalelf Profis wie Jerome Boateng, Ilkay Gündogan und Mesut Özil mitkicken, dürfte auch dem Letzten klar geworden sein, dass Aussehen und Herkunft der Vorfahren nicht mehr maßgeblich für die Nationalität sind. Offensichtlich ist das für Deutschland von Vorteil. Nicht nur im Fußball. Das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht beruht aber in seinen Grundzügen noch auf einem eher archaischen Verständnis: Wer von Deutschen abstammt, ist Deutscher. So lautet das Prinzip, seit die Preußen anno 1842 die Angelegenheit gesetzlich regelten.

 

Demnächst können Deutsche auch Türken sein und umgekehrt. Darauf haben sich Union und SPD verständigt. Wer in Deutschland zur Welt kommt, kann die Nationalität seiner Eltern beibehalten und gleichzeitig einen deutschen Pass bekommen. Er wird auch nicht mehr gezwungen, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Bisher war dieses Privileg nur EU-Bürgern und Schweizern vorbehalten. Nun wird es auch den Nachfahren früherer Gastarbeiter gewährt, die hier sesshaft geworden sind. Gemessen an den bisher sehr strikten Regeln und an der Sturheit, mit der konservative Kräfte diese verteidigt haben, kommt das einer Revolution gleich.

Die Union ist in der Gegenwart angekommen

Der Doppelpass wird Normalität. Das bedeutet eine Art Versöhnung mit der multinationalen Realität in unserem Land. Der Kompromiss in Sachen doppelter Staatsangehörigkeit ist ein Schlusspunkt unter das Eingeständnis, dass Deutschland Einwanderungsland ist.

Auch auf diesem Feld ist die Union nun in der Gegenwart angekommen. In einer globalisierten Welt erscheinen Vorbehalte gegen die Anerkennung vielschichtiger Identitäten wenig stichhaltig. Aus dem Umstand, dass man sich der Nationalität seiner Vorfahren verbunden fühlt, gleichzeitig aber auch Staatsbürger des eigenen Heimatlandes ist, auch wenn dies den Eltern noch fremd war, erwächst nicht zwangsläufig ein Loyalitätskonflikt. Es ist ja auch nicht so, dass zum Beispiel ein Schwabe, der in Frankfurt für eine amerikanische Bank arbeitet, evangelisch getauft, aber katholisch verheiratet ist und am Samstag für den FC Bayern jubelt, wegen solcher vielfältiger Verpflichtungen eine Persönlichkeitsspaltung riskiert.

Der Doppelpass bleibt an gewisse Auflagen gebunden. In diesem Punkt hat sich die Union durchgesetzt. Kritiker des großkoalitionären Kompromisses werten dies als Rückschritt im Fortschritt. Doch es gibt gute Gründe, auf solchen Auflagen zu bestehen. Wer auf die deutsche Staatsbürgerschaft neben der seiner Ahnen Wert legt, sollte sich dem Land, dessen Pass er beansprucht, auch verbunden fühlen. Er sollte die Sprache beherrschen, Kultur und Gesetze respektieren.

Eine praktikable Regelung

Das setzt voraus, hier nicht nur zufällig geboren zu sein. Wer einen Schul- oder Berufsabschluss in Deutschland erworben hat, muss hinreichend Deutsch können. Dieses Kriterium für den Doppelpass ist weder lebensfremd noch eine unzumutbare Schikane. Die Staatsangehörigkeit sollte wichtig genug sein, sie nicht gewissermaßen im Vorbeigehen zu gewähren.

Die jetzt vereinbarte Regelung ist praktikabel und unbürokratisch. Aber die SPD bleibt in der Angelegenheit gespalten. Einige ihrer Landesfürsten verkämpfen sich via Bundesrat für den Doppelpass zum Nulltarif. Wie auch immer man dazu steht – eine Partei kann nicht im Bund mitregieren und in den Ländern Opposition betreiben. Das ist zumindest wenig überzeugend.

Der Kompromiss zum Doppelpass hat eine Schwäche: Nur junge Leute werden davon profitieren. Der Elterngeneration bleibt die doppelte Staatsbürgerschaft verwehrt. Das lässt sich kaum vernünftig begründen. Diese Menschen sind dem Land, dem sie Arbeit und Aufstieg verdanken, oftmals mehr verbunden als ihre Kinder.