Hans-Peter Villis lässt seinen Vertrag auslaufen. Ein neuer EnBW-Chef wird schwer zu finden sein, meint die StZ-Autorin Judith Weber.

Stuttgart - Zuletzt war es wohl nur noch eine Frage der Zeit. Die Eigentümer der EnBW, das Land Baden-Württemberg und die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW), wollen den Energiekonzern aus Karlsruhe mit einem neuen Mann an der Spitze in das Zeitalter ohne Atomkraft führen. Um sein Gesicht zu wahren, ist der jetzige Vorstandschef Hans-Peter Villis der Absage durch den Aufsichtsrat wohl zuvorgekommen und hat mitgeteilt, er stehe für das Amt nach Auslaufen seines Vertrags Ende September 2012 nicht mehr zur Verfügung. Bis dahin jedoch will er die EnBW weiterhin führen. Ob er tatsächlich noch so lange durchhält, darf bezweifelt werden. Entscheidend dafür dürfte sein, wie schnell sich ein Nachfolger findet.

 

Die Herausforderungen, die den Neuen bei der EnBW erwarten, sind gewaltig. Villis hat es in seiner Zeit als Vorstandschef nicht geschafft, den Energiekonzern für die Zukunft zu rüsten. Das gilt im Übrigen auch dann, wenn man den Beschluss zum Atomausstieg außer Acht lässt. Der Ausbau des Gasgeschäfts, den Villis zu Beginn seiner Amtszeit als zentrales Ziel ausgerufen hatte, ist gescheitert. Der EnBW-Chef hat bei dem Versuch, beim ostdeutschen Gasimporteur VNG einzusteigen, den Widerstand der kommunalen Eigner unterschätzt. Andere Energiefelder - jenseits der Atomkraft und der Gaswirtschaft - beackerte der Vorstandschef nicht energisch genug.

Zwar lobt der Aufsichtsratschef Claus Dieter Hoffmann nun pflichtbewusst die "Leistungen von Herrn Villis" und verweist unter anderem auf "wesentliche Projekte im Bereich der thermischen Erzeugung sowie der erneuerbaren Energien". Doch ein Blick in die Bilanz zeigt: Auch vier Jahre nach dem Amtsantritt von Villis liefern die Atomkraftwerke einen überragenden Beitrag zum Konzerngewinn. Im Gegenzug bescheren sie ihm, sobald sie vom Netz genommen sind, einen gehörigen Verlust.

Die Eigner müssen ihr Schweigen brechen

Villis hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er ein unbeirrbarer Anhänger der Atomenergie ist. Schon allein deshalb war und ist er der falsche Mann, um die EnBW zu einem modernen Energiekonzern mit einem breiten Spektrum an erneuerbarer Energie zu machen. Villis fehlt eine Strategie für ein Geschäftsmodell der EnBW ohne Atom. Doch auch von den Eigentümern ist dazu nichts zu hören. Sie müssten dem Vorstand zumindest sagen, welche Rolle das Unternehmen künftig spielen soll. Nur so kann er Entscheidungen im Sinne der Eigner treffen.

Er wolle Beteiligungen verkaufen und vor allem sparen, verkündete Villis zu Jahresbeginn. Das ist angesichts fehlender Einnahmen aus der Atomenergie wohl ein notwendiges Übel. Auch eine Kapitalerhöhung täte der EnBW in dieser Situation gut. Noch dazu könnte sie wie die Konkurrenten Eon und Vattenfall ihr Übertragungsnetz verkaufen, ohne dem Konzern unternehmerisch zu schaden. Doch all das reicht nicht aus, um die Zukunft zu bestreiten.

In einem industriestarken Land wie Baden-Württemberg gehört die Energieversorgung zur Infrastruktur. Auch ohne die Atomkraft muss die EnBW einen Weg finden, um Energieerzeuger zu bleiben. Möglichkeiten dazu gibt es genug. Zum einen sind die Kohlekraftwerke das zweitwichtigste Standbein der EnBW, zum anderen will Baden-Württemberg die Windenergie auf dem Land kräftig ausbauen. Auch bei Windrädern auf hoher See hat die EnBW bereits Erfahrung. Und beim Gasgeschäft könnte ein neuer Vorstandschef wieder Schwung in die Verhandlungen mit der VNG bringen oder Alternativen zu diesem Engagement präsentieren. Doch einen Nachfolger für Villis zu finden ist schwer, solange die Eigner zur Zukunft des Konzerns kein Wort verlieren. Sie müssen ihr Schweigen brechen, auch das hat in den vergangenen Monaten zum Stillstand bei der EnBW geführt. Nur so kann ein neuer Chef die EnBW fit für die Zukunft machen.