Bei dem EU-Afrika-Gipfel wird die Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Afrika zelebriert. Dabei wird ein brennendes Thema ausgespart, meint Christoph Link.

Stuttgart - Jobs, Jobs, Jobs! Der neue Präsident Simbabwes, Emmerson Mnangagwa, hat diese Worte als Programm ausgerufen und den Jubel der Massen entfacht. Der Nachfolger des Diktators Mugabe mag Mitglied des alten Regimes gewesen sein, die Menschen in Simbabwe erwarten von ihm Reformen und Arbeitsplätze. Das ist eine Hoffnung, die den gesamten Kontinent eint: die Schaffung einer wirtschaftlichen Basis durch Investitionen und Handel, eine Neubelebung der Landwirtschaft und Kleinindustrie durch die Einbindung afrikanischer Ökonomien in die globale Wertschöpfungskette.

 

Das Thema sollte eigentlich in Abidjan, Hauptstadt der Elfenbeinküste, beim am Mittwoch beginnenden fünften EU-Afrika-Gipfel das dominierende sein. Die Schaffung einer Perspektive für die afrikanische Jugend steht auf der Tagesordnung. Aber wie das geschehen soll, bleibt unklar. Andere Probleme werden die Konferenz beherrschen: Migration, Mobilität und Sicherheit. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer wöchentlichen Videoansprache klar gemacht, dass sie sich in Abidjan für die Rückführung illegaler Migranten nach Afrika einsetzen will. Der Zustrom von Flüchtlingen ist ein Thema, das der Kanzlerin innenpolitisch stark zusetzt.

Die Bundeskanzlerin spricht vor allem über Rückführungen

Alle Experten sind sich einig, dass das massive Bevölkerungswachstum in Afrika – die Einwohnerzahl wird sich bis 2050 auf 2,1 Milliarden verdoppeln – den Auswanderungsdruck erhöhen wird. Zumindest dann, wenn nicht ein starkes Wirtschaftswachstum mit jährlich 20 Millionen neuen Jobs – so eine Schätzung von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) – die grassierende Armut als Fluchtursache beseitigt.

Heute ist die Arbeitslosigkeit selbst in der akademisch gebildeten Jugend Afrikas immens: So bügeln etwa in Kenia Universitätsabsolventen, deren hohe Studiengelder von den Eltern aufgebracht wurden, Secondhand-Kleider aus Europa auf Märkten oder verdingen sich als Kellner.

Dass die deutsche Kanzlerin vor allem über Rückführungen sprechen möchte und den Gesprächsfaden zu menschenverachtenden Regimen wie Eritrea, Tschad oder dem anarchischen Libyen sucht, wird in Afrika kopfschüttelnd registriert. Die Auswanderung ist für Afrikaner ein Mittel der Daseinsvorsorge. Menschen etwa in Somalia könnten gar nicht ohne die Rücküberweisungen ihrer weltweit verbreiteten Diaspora überleben. Einen Flüchtling etwa nach Libyen zurückzuschicken, wo ihm die Sklaverei droht, wird als Hohn und Rückfall in neokoloniales Verhalten erachtet.

Wie geht es mit der EU-Handels- und Agrarpolitik weiter?

In dieser Lage spart der Gipfel, der ja die zehn Jahre bestehende Partnerschaft zwischen EU und Afrika zelebrieren soll, ein brennendes Thema aus: Wie geht es mit der EU-Handels- und Agrarpolitik weiter, die weit davon entfernt ist, den schwächeren Nachbarn als Partner zu behandeln?

Seit Jahrzehnten wird beklagt, dass verbilligte EU-Agrarexporte – Hähnchen aus Deutschland, Zwiebeln aus Holland – die Märkte zerstören und den afrikanischen Bauern die Jobs nehmen. Aber es ändert sich nichts. Dabei sollte eine starke und Arbeitskräfte bindende Landwirtschaft das Rückgrat der Volkswirtschaften bilden; sie zu entwickeln, wäre vordringlich. Dass Afrika Nahrungsmittel importiert, ist angesichts seiner riesigen Agrarressourcen ein Unding.

Und noch eine Schieflage im Verhältnis: Die EU hat afrikanischen Ländern sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen angeboten, die Afrika zollfreien Marktzugang zur EU anbieten. Im Gegenzug aber sollen Afrikas Märkte 80 Prozent aller EU-Waren zollfrei aufnehmen. Die Abkommen werden von vielen Ländern Afrikas als Verschlechterung gewertet, ein Großteil hat sie nicht ratifiziert, Nachteile für die Landwirtschaft und den notwendigen Aufbau von Industrie befürchtend. Will die EU Fluchtursachen bekämpfen, muss sie ihre eigene Politik überdenken.