Die grüne Partei hat sich im Streit um den Bahnhof auf den Fildern durchgesetzt – auf Kosten ihres wichtigsten Mannes, des Ministerpräsidenten. Ein Kommentar von StZ-Redakteur Reiner Ruf.

Stuttgart - Sieg und Niederlage liegen beim jetzt entschiedenen Streit über den Filderbahnhof plus nahe beieinander. Man darf dieses kriegerische Vokabular gebrauchen, handelte es sich am Ende doch nur noch um einen Machtkampf, bei dem die infrastrukturellen Fragen völlig ausgeblendet blieben. Auf der Siegesseite wähnen sich die Grünen, die sich einer Kostenbeteiligung an einem verbesserten Filderbahnhof verweigerten. Nach dem Desaster bei der Volksabstimmung über Stuttgart 21 sowie den bitter enttäuschten Hoffnungen, die sie Anfang März auf den Bahn-Aufsichtsrat richteten, wollten sie nicht erneut zurückstecken. In der Sache können sie für sich in Anspruch nehmen, dass am Flughafen kein Präzedenzfall für weitere Geldforderungen der Bahn geschaffen wird. Solche Wünsche werden auf das Land zukommen; das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und dann wird es um weit höhere Summen gehen als auf den Fildern.

 

Allerdings haben die Grünen im Eifer des Gefechts manches aus den Augen verloren. Zum Beispiel, dass es sie selbst waren, die mit dem Bürgerdialog auf den Fildern die Diskussion über die Flughafenanbindung eröffnet hatten. Das Ergebnis, der Filderbahnhof plus, entpuppte sich zwar nicht als das ersehnte Wunschkind, die Elternschaft können die Grünen aber nicht leugnen. Sie tun es trotzdem. Dabei liegt eine möglichst komfortable Verknüpfung von Schiene, Flughafen und Messe im ureigenen Interesse des Landes. Wenn also ein weiteres freiwilliges Engagement der Landesregierung Sinn gemacht hätte, dann doch wohl auf den Fildern.

Des Ministerpräsidenten Wort gilt nicht unbedingt

Auch um ihren Ministerpräsidenten scherten sich die Grünen bis hin zur Fraktionsvorsitzenden Edith Sitzmann herzlich wenig. Winfried Kretschmann hatte verschiedene Male Kompromissbereitschaft signalisiert, war aber regelmäßig von den eigenen Leuten abgegrätscht worden. Woraus sich erhellt: zur Ministerpräsidentenpartei sind die Grünen noch nicht geschrumpft. Dafür haben sie ihrem vermeintlichen Übervater Kretschmann einen Autoritätsverlust zugemutet. Die Episode Filderbahnhof zeigt: des Ministerpräsidenten Wort gilt nicht unbedingt. Er selbst räumt unumwunden ein, Schrammen davongetragen zu haben.

Das gilt in noch stärkerem Maße für die SPD, die für den verbesserten Filderbahnhof gekämpft hatte. Dass die Bahn auf einen Deal nicht eingehen würde, der die Streichung der Sprechklausel zur Folge hätte, war eigentlich von vornherein klar gewesen. Schließlich gründen darauf die Chancen der Bahn, doch noch an zusätzliches Geld des Landes für das Gesamtprojekt zu kommen. Eines immerhin spricht für die politische Kunst von Grün-Rot: Die Koalition vermochte mit ihrem Kompromissvorschlag die Sache so hinzudeichseln, dass nun die Bahn als Neinsager dasteht. Regierungschef Kretschmann hält den Grundsatzkonflikt über S 21 für beendet. Jedoch erhebt sich die Frage: Für wie lange?