Frankreichs ehemaliger Staatspräsident Nicolas Sarkozy wird der Bestechung eines hohen Richters beschuldigt. Er steht für eine Politik, die sich über die Moral hinweg setzt, kritisiert der Pariser StZ-Korrespondent Axel Veiel.

Paris - Anstatt sich mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen auseinanderzusetzen, betreibt Nicolas Sarkozy sein politisches Comeback. Und er macht das, gemessen am Publikumserfolg, gar nicht schlecht. Neun Millionen Zuschauer haben den Fernsehauftritt des in zahlreiche Affären verwickelten, von der Staatsanwaltschaft der Bestechung eines hohen Richters beschuldigten Ex-Präsidenten verfolgt. Ein packender Politthriller, ausgestrahlt zur besten Sendezeit, schlägt die Franzosen selbst in WM-Zeiten in Bann.

 

Was der konservative Spitzenpolitiker inszeniert hat, ist eben dies: ein Politthriller. Derselbe Mann, der seinen Landsleuten eine untadelige Republik versprochen hat, wirft der gegen ihn ermittelnden Justiz politische Beweggründe vor. Beweise für die abenteuerliche Behauptung bleibt er schuldig. Angriff ist die beste Verteidigung, mag sich der Anwalt sagen. Wie einst Italiens skandalbehafteter Ministerpräsident Silvio Berlusconi schwächt er lieber seine Verfolger, als die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften oder auch nur dazu Stellung zu nehmen.

Der Zweck heiligt für Sarkozy die Mittel

Sicherlich gilt auch für Sarkozy die Unschuldsvermutung. Und natürlich war die einstweilige Festnahme des Ex-Präsidenten eine öffentliche Demütigung, deren juristische Notwendigkeit sich nicht ohne Weiteres erschließt. Aber das ändert nichts daran, dass der in ein halbes Dutzend Affären verstrickte Franzose ins Zwielicht geraten ist. Und es ändert nichts  daran, dass  ein Spitzenpolitiker über jeden moralischen Zweifel erhaben sein sollte. Doch Sarkozy setzt sich darüber hinweg, empfiehlt sich als potenzieller Anwärter auf den Vorsitz seiner konservativen Partei UMP und Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2017. Der Zweck, das eigene politische Überleben, heiligt für ihn die Mittel.

Mag sein, dass der wendige Advokat damit durchkommt. Auf der Strecke bleibt auf alle Fälle die Glaubwürdigkeit der Politik. Die in Frankreich erschreckend hohe Zahl der Nicht- und Protestwähler dürfte weiter  zunehmen. Marine Le Pen, Chefin des rechtspopulistischen Front National, wird sich die Hände reiben. Sie kann ihre These von der Verkommenheit der großen Volksparteien nun auch noch anhand des Beispiels Nicolas Sarkozy illustrieren.

Frankreich bräuchte eine handlungsfähige Opposition

Gewiss, da sind auch noch die regierenden Sozialisten. Sieht man einmal vom früheren Finanzminister Jérôme Cahuzac ab, der wegen Steuerhinterziehung entlassen wurde, stehen die Genossen mit erfreulich weißer Weste da. Das Vertrauen des Volkes haben freilich auch sie verspielt. Der Wähler fühlt sich von ihnen nicht minder verraten. Was hat Staatschef François Hollande nicht alles versprochen. Ein neues Europa wollte er aus der Taufe heben, Wachstum und Beschäftigung schaffen. Stattdessen haben Steuerbelastung und Arbeitslosigkeit Rekordhöhen erreicht. Kaum jemand traut dem zögernden Sozialisten noch zu, das Land aus der Krise zu führen.

Nichts bräuchte Frankreich in dieser Situation dringender als eine handlungsfähige Opposition, die Mut macht und politische Alternativen aufzeigt. Doch die gibt es nicht. Jean-François Copé, vor ein paar Wochen noch Oppositionsführer, hat wegen eines Skandals den UMP-Vorsitz niedergelegt. Sarkozy, der danach greift, taugt schon gar nicht zum Hoffnungsträger. Er steht für eine Republik, in der sich die Mächtigen selbstherrlich über die Moral, wenn nicht das Gesetz hinwegsetzen.

Es scheint, als zögen in Frankreich jene düsteren Zeiten herauf, die Italien erfreulicherweise hinter sich gelassen hat. François Hollande erinnert jedenfalls erschreckend an Romano Prodi, Sarkozy an Berlusconi und der Front National an die sich als normale Partei empfehlenden italienischen Neofaschisten. Wie einst in Italien deutet bislang nichts darauf hin, dass eine Lichtgestalt die politische Bühne betreten könnte, ein französischer Matteo Renzi.