Die Spielerinnen der deutschen Fußballnationalmannschaft sind TV-Lieblinge. Das haben sie verdient, kommentiert StZ-Sportchef Peter Stolterfoht. Heute Nachmittag stehen die Frauen im EM-Finale gegen Norwegen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Wie hat es doch so unschön in einer Stellungnahme des Deutschen Fußball-Bundes aus dem Jahr 1955 geheißen: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ Mit diesen unrunden Worten untersagte der Verband Frauen, unter dem Dach des DFB Fußball zu spielen. 1970 wurde das Verbot aufgehoben. Was folgte, waren unzählige Machosprüche, die den Frauenfußball in Deutschland über viele Jahre diskreditierten. Aber selbst die ranzigsten Altherrenwitze aus der untersten Schublade haben es nicht verhindern können: die Entwicklung des Frauenfußballs gehört zu den größten Erfolgsgeschichten im deutschen Sport. Herzlichen Glückwunsch!

 

Wenn morgen die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Schweden im Finale gegen Norwegen spielt, werden hierzulande mehr als zehn Millionen Fernsehzuschauer dabei sein. Eine solche Quote haben in Deutschland nur die Fußballmänner zu bieten – und „Tatort“-Kommissare beziehungsweise -Kommissarinnen. Aus einst geschmähten Kickerinnen sind im Lauf der Zeit deutsche Fernsehlieblinge geworden. So bescherten die deutschen Spiele bei der Heim-WM 2011 mit bis zu 17 Millionen Zuschauern dem Fernsehen Rekordwerte.

Es wird nicht mehr ständig mit dem Männerfußball verglichen

Frauenfußball wird geschaut, über Frauenfußball wird geredet, und zwar völlig anders als noch vor wenigen Jahren. Brachte früher die Frage, welche Nationalspielerin wohl lesbisch sei, die Stammtische in Wallung, so wird dort mittlerweile mit demselben Enthusiasmus über die taktischen Überlegungen der Bundestrainerin Silvia Neid diskutiert. Die Frauen sind in der Fußballnormalität angekommen und dürfen sich darauf etwas einbilden. Zu dieser Versachlichung des Themas gehört auch, dass nicht bei jeder Gelegenheit ein Quervergleich zum Männerfußball hergestellt wird. Immer mehr Leute begreifen, dass es völlig irrelevant ist, in welcher Männerliga die deutsche Frauennationalmannschaft mithalten könnte. Spaß am Frauenfußball hat der Zuschauer, der ihn als etwas Eigenständiges versteht. Beim Beachvolleyball kommt ja auch niemand auf die Idee, das Spiel der Frauen mit dem der Männer zu vergleichen.

Auf der anderen Seite gehört zum selbstverständlichen Umgang auch, dass sich weibliche Fans dazu bekennen dürfen, wenig mit Frauen-, dafür viel mit Männerfußball anfangen zu können. Es ist auch nicht verwerflich, wenn ein Mann Frauenfußball nicht besonders prickelnd findet, weil er Tempo und Dynamik vermisst. Es gibt auch Frauen, die das so sehen.

Frauenfußball funktioniert nur im ganz großen Rahmen

Keine zwei Meinungen dürften aber darüber herrschen, dass die deutschen Fußballfrauen auf dem Platz Beeindruckendes leisten. Morgen können sie nun schon zum achten Mal Europameister werden, was vom jungen DFB-Team nach sehr durchwachsenen Turnierauftritten nicht unbedingt erwartet worden war. Eine andere Hoffnung können sich die deutschen Fußballfrauen aber nicht machen – dass die EM einen Boom in der Bundesliga auslöst. Eine Partie zwischen dem BV Cloppenburg und der Sportgemeinschaft Essen-Schönebeck wird weiter unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Und auch dem Champions-League-Sieger VfL Wolfsburg rennen sie bestimmt nicht die Bude ein. Frauenfußball funktioniert nur im ganz großen Rahmen. Mit einer entsprechenden medialen Unterstützung.

Ein EM-Werbespot des ZDF, in dem eine Fußballerin den Ball in der Waschmaschine versenkt, ging jedoch daneben. Das erinnerte an dunkle Zeiten, als der „Sportstudio“-Moderator Wim Thoelke sagte: „Die Zuschauer brauchen sich nicht aufzuregen. Die Frauen waschen ihre Trikots selber, wenn sie in den Schlamm fallen.“