Die griechischen Wähler haben „Nein“ gesagt. Den Zahlen nach ist das Ergebnis eindeutig. Alexis Tsipras hofft auf Rückenwind für ein neues Hilfspaket. Das muss schief gehen, meint der StZ-Wirtschaftschef Michael Heller.
Stuttgart - Die griechischen Wähler haben „Nein“ gesagt. Den Zahlen nach ist das Ergebnis eindeutig, aber trotzdem stellt sich die Frage, was dieses Votum eigentlich zum Ausdruck bringt. Haben sich die Wähler mit ihrem „Nein“ gegen den Euro ausgesprochen, so wie es unter anderem Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem im Vorfeld interpretiert hatte? Müssen sie nun die Eurozone verlassen? Dieses Urteil wäre verfehlt, denn der Euro stand bei dem Referendum nicht auf dem Wahlzettel. Es ging um Forderungen der Gläubiger, die den arg gebeutelten Griechen abverlangten, den Gürtel noch enger zu schnallen. Den Euro wollen die Menschen in dem Land nicht hergeben, wie Umfragen eindeutig zeigen. Das ändert aber nichts daran, dass das klare Wahlergebnis ein herber Rückschlag auf dem Weg zu einer wieder stabilen Eurozone ist.
Inhaltlich war das Referendum absurd. Syriza-Chef Alexis Tsipras ließ über eine Forderung abstimmen, die wegen des Ablaufs der Frist überholt ist. Zwar spricht nichts dagegen, in der heiklen Lage, in der sich Griechenland befindet, ein Referendum abzuhalten. An entscheidenden Wegmarken ist eine Volksabstimmung ein nicht nur legitimes, sondern auch notwendiges Instrument, um zu ermitteln, was die Menschen wirklich wollen. Aber das griechische Referendum hat diesen hohen Ansprüchen in keiner Weise genügt. Es ging nicht um ein „Ja“ oder „Nein“ zum Euro, sondern nur um ein Mandat für die Regierung, bei den Verhandlungen in Brüssel unnachgiebig aufzutreten. Dieses Mandat haben Tsipras und sein Links-Bündnis Syriza nun.
Auch die Europäer haben kurzsichtig gehandelt
Dass es so weit gekommen ist, liegt nicht alleine an der chaotischen Verhandlungsführung der Griechen. Auch die Europäer haben sehr kurzsichtig gehandelt. Gescheitert sind die Verhandlungen bekanntlich daran, dass sich die Streithähne nicht darüber einigen konnten, unter welchen Bedingungen eine letzte Rate in Höhe von gerade mal sieben Milliarden Euro aus einem 130 Milliarden Euro umfassenden Hilfspaket – das durch politische Beschlüsse abgesichert war – ausgezahlt werden kann. War das die Eskalation wert? Gewiss nicht. Denn der Abschluss des zweiten Hilfspakets hätte die Möglichkeit geboten, innezuhalten und die Debatte über ein drittes Programm zu vermeiden. Nun wird es genau dazu kommen, wie Tsipras schon angedeutet hat. Wie Verhandlungen darüber in der durch das „Nein“ im Referendum gestörten Atmosphäre und mit geschlossenen Banken, denen ohne weitere Hilfe der Europäischen Zentralbank der Kollaps droht, geführt werden sollen, ist sein Geheimnis.
Bei allem Verständnis für die Nöte Griechenlands stellt sich die Frage, warum die Regierung in Athen selbst nichts auf den Weg bringt, was dem Land helfen könnte. Die Regierung ist offenbar vollauf damit beschäftigt, Tag für Tag Interviews zu geben und die europäischen Partner zu beschimpfen. Seit gut fünf Monaten ist Tsipras im Amt, aber nichts hat sich geändert an der desolaten Verfassung der Steuerverwaltung, die weiter großzügig darauf verzichtet, Steuerforderungen in Milliardenhöhe einzutreiben. Ein Skandal. Gerade für eine linke Regierung sollte das doch ein Kernanliegen sein. Für Privatisierungen, die auch seine Vorgänger schon nicht angepackt haben, gilt das sicher nicht. Aber der Anspruch, sich selbst zu helfen, muss Vorrang vor ideologischen Vorbehalten haben.
Die Griechen wollen in der EU und in der Eurozone bleiben, und die Regierung will es auch. Aber das Land droht immer weiter in der Krise zu versinken. Wenn es ums Geld geht, dann kann gewiss auch über Details wie Laufzeiten und Zinsen geredet werden. Ein drittes Hilfspaket, zu dem auch ein Schuldenschnitt gehören soll, liegt aber außerhalb der Vorstellungen. Daran würden Europas Regierungen reihenweise scheitern, denn es überfordert die Menschen in deren eigenen Ländern.