Das Bundeswirtschaftsministerium riskiert mit seinem Vorschlag zur Grünstromvermarktung die Glaubwürdigkeit der Energiewende, findet unsere Kommentatorin.

Stuttgart - Eltern von Kleinkindern kennen das: Wenn Kuchen gebacken wird, will der Zwerg mitmachen. Also gibt man ihm eine eigene Schüssel Mehl mit eigenem Löffel – freut sich über den niedlichen Eifer und ist froh, dass das eigene Backwerk nicht in Gefahr gerät. Großes Lob für die tätige Hilfe des Nachwuchses gibt’s am Ende natürlich obendrein.

 

Ganz ähnlich will es das Wirtschaftsministerium offenbar mit Stromkunden machen: Sie sollen das schöne warme Gefühl haben, beim großen Projekt Energiewende mittun zu können. Deshalb sollen sie eine Schüssel namens „regionale Grünstromkennzeichnung“ hingestellt bekommen, in der sie rühren dürfen – ohne merkliche Auswirkung auf den deutschen Strommix.

Denn die regionale Grünstromkennzeichnung, wie sie sich im Entwurf des Ministeriums darstellt, ist ein Papiertiger, der hohen Verwaltungsaufwand und damit Kosten erzeugt. Sie führt aber nicht dazu, dass tatsächlich eine Lieferbeziehung zwischen einem Ökostromerzeuger und einem Stromlieferanten entsteht. Hinter der Kennzeichnung steht nur ein Nachweispapier, das belegt, dass in einem bestimmten Postleitzahlengebiet Ökostrom erzeugt worden ist. Mehr nicht. Dieses Papier kann man auch auf Braunkohle- oder Atomstrom kleben und dann so tun, als hätte man sich für Region und Umwelt engagiert.

Wie könnte die Wirkung aussehen? Im besten Falle wäre die Nachfrage nach regionalen Ökostrom-Tarifen so hoch, dass sie das Angebot übersteigt. Dann gäbe es tatsächlich einen Anreiz, weitere Anlagen zu bauen. Das gilt aber nur, wenn der mit den Zertifikaten erzielbare Preis so hoch wäre, dass sich die Investition amortisiert. Das ist relativ unwahrscheinlich. Und es ist eigentlich auch gar nicht gewollt: Denn im gleichen Atemzug, in dem Berlin dem Verbraucher regionale Ökostromtarife ermöglicht, deckelt man im Erneuerbare-Energien-Gesetz den Ausbau erneuerbarer Energien, um das Netz nicht zu überlasten.

Konzepte wie die regionale Grünstromkennzeichnung behandeln Verbraucher wie Kleinkinder. Und das ist für die Akzeptanz des Megaprojekts Energiewende alles andere als zuträglich. Es gäbe Projekte, mit denen Stromkunden tatsächlich einen Beitrag leisten könnten – beispielsweise den Eigenverbrauch von Strom aus Bürgerprojekten. So etwas aber packt Berlin nicht an.