Das Internationale Olympische Komitee hat Thomas Bach zu seinem neuen Präsidenten gewählt. Bach krönt damit seine Karriere, doch sein Programm ist völlig unklar, meint der StZ-Sportredakteur Tobias Schall.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Um 17.41 Uhr unserer Zeit ist Thomas Bach am Mittwoch auf dem Olymp angekommen: an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees. Bach ist wie erwartet zum neuen IOC-Präsidenten gewählt worden. Er ist der erste Deutsche auf diesem Posten, insofern ist der gestrige Tag ein historischer gewesen. Der Mann aus Tauberbischofsheim ist zur mächtigsten Person in der Sportwelt aufgestiegen. Für ihn ist es ist die Krönung einer eindrucksvollen Karriere. Akribisch hatte sich der 59-Jährige in Position gebracht. Er saß in allen wichtigen Kommissionen und hat stets loyal die Interessen des IOC vertreten. Er war Olympiasieger 1976, er hat die nötige sportpolitische Karriere durchlaufen, und er hat sich als Jurist im IOC einen Namen gemacht. Bach entspricht dem Prototyp eines IOC-Präsidenten. Er ist insofern eine logische Wahl.

 

Deutschland feiert? Wir sind Olympia?

Nicht wirklich. Die Wahl löst keinen grenzenlosen Freudentaumel aus. Das liegt zum einen an der Person Thomas Bach, der zuletzt mit schweren Vorwürfen seines Konkurrenten Denis Oswald wegen seiner Verbindungen in den arabischen Raum und der Wahlhilfe von dort konfrontiert wurde, die zu Rissen im IOC geführt hat. Zum anderen haben zahlreiche Korruptionsskandale und merkwürdige Entscheidungen das Ansehen der Sportorganisationen insgesamt nachhaltig beschädigt.

Bach ist nicht der große Reformer

Es liegt an der Vergangenheit und auch der Gegenwart, dass sie von vielen Menschen bisweilen als EC-Automat für die jeweiligen Funktionäre wahrgenommen werden. Es ist über Jahre der Eindruck entstanden, dass es längst nicht mehr nur um Sport geht, sondern dass allein wirtschaftliche und politische Einflüsse eine Rolle spielen und fleißig in Hinterzimmern gemauschelt wird. Das alles macht es schwer, vorbehaltlos das gestrige Votum des IOC zu bejubeln.

Thomas Bach ist nicht als großer Reformer angetreten. Ob er überhaupt etwas verändern will, ist unklar. Sein Wahlslogan war „Einheit in Vielfalt“. Er hätte über sein Programm auch „Kontinuität im Wandel“ schreiben können. Es gibt einen neuen Steuermann im IOC, aber der Kurs auf dem gigantischen Dampfer bleibt gleich, davon ist auszugehen. Thomas Bach hat sich bisher vor allem als Bewahrer des Systems hervorgetan. Das liegt auch an dem Konstrukt: ein inhaltlich kritischer Wahlkampf gegen das System, das ihn wählen soll, schließt sich praktisch aus.

Es ist ohnehin schwer, Reformen angesichts unterschiedlichster Ansichten durchzusetzen. Das IOC als Dachorganisation des Sports ist Abbild einer Welt, die leider nicht so ist, wie sie sich die westlichen Nationen wünschen. Das IOC ist ein Weltkonzern. Und der Präsident muss ihn zusammenhalten, er muss die Interessen der westlichen wie der arabischen oder der afrikanischen Vertreter wahren, sonst zerfällt das Gebilde. Er ist der Klassensprecher dieses babylonischen Systems. Und bisweilen ist er darin gefangen.

Das IOC muss Glaubwürdigkeit zurück gewinnen

Dabei gibt es viele Herausforderungen. Da wäre die Menschensrechtsdebatte, die das IOC im Februar 2014 bei den Winterspielen in Sotschi angesichts des umstrittenen russischen Antihomosexuellen-Gesetzes einholen wird. Das Dopingproblem rüttelt an den Grundfesten des Sports, der Gigantismus ist nach wie vor ein Problem, speziell bei Winterspielen, für die es zunehmend weniger Bewerber gibt. Es gilt für den Olympiasieger Bach, dem Weltsport neue Perspektiven zu eröffnen, weiter Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, aktiver und transparenter im Kampf gegen Korruption zu werden. Daran wird man ihn später einmal messen.

Thomas Bach ist bis jetzt kein charismatischer Führer. Vielleicht wächst er an diesem Amt und emanzipiert sich in der neuen Rolle. Zuzutrauen ist es ihm zumindest. Eine Revolution ist unter Bach nicht zu erwarten, aber vielleicht eine Evolution.