Interne Korrespondenz entfaltet in der Öffentlichkeit Sprengkraft. Dessen sollte sich die Rathausspitze gerade in Wahlkampfzeiten bewusst sein, meint StZ-Autor Jörg Nauke.

Stuttgart - Es macht fassungslos, wie hoch auch noch nach mehr als drei Jahren der Aufarbeitung der Misswirtschaft im Klinikum die Wogen im Stuttgarter Rathaus schlagen. Nicht nur, dass sich eine Gemeinderatsmehrheit aufgefordert fühlt, mit einem Ausschuss zur Akteneinsicht der Rathausspitze, zumindest was die Ermittlungen im Klinikum-Skandal angeht, das Misstrauen auszusprechen und der Stadtverwaltung Beine zu machen. Mit Werner Wölfle wird ein Bürgermeister wegen vermeintlicher Klinikums-Altlasten genötigt, sich besser selbst anzuzeigen und dennoch aus dem Sozialreferat gedrängt, das mit den Vorkommnissen im Klinikum nun gar nichts zu tun hat.

 

Katerstimmung im Rathaus

Und nicht zuletzt haben seine Amts- und Eigenbetriebsleiter mit ihrer unüberlegten Solidaritätsadresse so heftige Gegenreaktionen erzeugt, dass das Verhältnis zwischen Verwaltung und Gemeinderat darunter leidet. Sogar im Internationalen Ausschuss, der nun gar nichts über Beraterverträge mit Kuwait oder Provisionen für die Vermittlung libyscher Patienten sagen kann, herrscht jetzt Katerstimmung.

Man kann nur hoffen, dass der Vollblutpolitiker OB Fritz Kuhn (Grüne) jetzt zur Erkenntnis gelangt, dass seine Mauer-Taktik gescheitert ist und er nun Fakten liefern muss. Die Veröffentlichung diverser Kurznachrichten und interner Unterlagen wie dem jetzt vorgelegten Briefentwurf von Ex-Abteilungsleiter Andreas Braun für seinen Vorgesetzten Ralf-Michael Schmitz mit einem für Wölfle möglicherweise folgenschweren Detail muss er als Warnung verstehen. Interne Korrespondenz kann in der Öffentlichkeit Sprengkraft entfalten. Im Vorfeld zweiter wichtiger Wahlen wird die Zahl der Datenlecks eher noch größer.

Zeugen in den Ausschuss, fordern auch Stadträte

Deshalb bietet es sich an, den brutalst möglichen Aufklärer zu geben. Kuhn sollte dafür sorgen, dass den Stadräten im Akteneinsichtssauschuss nicht länger nur jene Orientierungshilfe gewährt wird, auf die sie ohnehin Anspruch haben. Befragungen zu unterstützen, wäre eine solche Maßnahme. Peter Glinder vom Rechnungsprüfungsamt könnte ein guter Interviewpartner sein, ebenso Ex-Mitarbeiter des Klinikums wie Abteilungsleiter Andreas Braun – und natürlich Werner Wölfle selbst.