Fehler können passieren, man muss aber zu ihnen stehen. Das sei für Werner Wölfle ein Problem geworden, zumal auch OB Fritz Kuhn nun unter Druck sei, meint StZ-Autor Jörg Nauke.

Stuttgart - Die rechtliche Aufarbeitung des Klinikumsskandals geht nun schon ins vierte Jahr. Die Staatsanwaltschaft beschäftigt sich immer noch mit den Fehlleistungen von Klinikumsmitarbeitern; es geht um Untreue, Steuervergehen, auch um Betrug, weil für Zahlungen Gegenleistungen fehlen. Im Fokus steht Andreas Braun, der als Abteilungsleiter in Direktkontakt mit den arabischen Partnern stand. Aber er hatte im Hause mehrere Vorgesetzte, die seine Geschäfte absegnen mussten und deshalb ebenso in der Verantwortung stehen. Die Stadtverwaltung hatte nach Bekanntwerden der Misswirtschaft im Klinikum Mängel in dessen Organisation und Betrieb geheilt. Die personelle Verstärkung der für die arabischen Patienten zuständigen International Unit und ihre spätere Auflösung sollten ebenso Handlungsstärke demonstrieren wie die Trennung von Braun, Ex-Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz und Finanzchefin Antje Groß. Keine Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten nehmen, das sollte nach außen demonstriert werden.

 

Längst geht es aber um mehr als nur um die Projekte in Libyen und Kuwait. Nur am Rande interessiert sich der Gemeinderat dafür, ob 30 Millionen Verlust eingefahren wurden oder ob man mit fragwürdigen Methoden Gewinn erzielte. Es geht vielmehr um die die politische Verantwortung – und mehr noch: um die politische Hygiene. Klar ist: Das Direktionsrecht übte Bürgermeister Werner Wölfle (Grüne) aus. OB Fritz Kuhn (Grüne) trägt die Gesamtverantwortung, Michael Föll (CDU) war und ist Chef aller Beteiligungsbetriebe, wozu das Klinikum gehört. Doch eine Frage hinter den Namen hat noch mehr Brisanz: Hat die Rathausspitze eigene Versäumnisse zu verschleiern versucht und dafür den Gemeinderat unzureichend, falsch oder auch gar nicht informiert?

Es geht um die politische Hygiene

Gemeinderat und Verwaltung sind in eine schwere Vertrauenskrise geraten. Die Einsetzung eines Ausschusses zur Akteneinsicht war ein deutlicher Hinweis auf das gestörte Verhältnis. Dass sich die Mitglieder des Ausschusses durch behördlichen Schwergang in ihren Recherchen extrem behindert sehen, passt ins Bild. Nur die Grünen sind zufrieden, sie wollen vor allem die Parteifreunde Kuhn und Wölfle vor weiteren Schürf-Erfolgen in den Tiefen der Archive bewahren. Das sorgt jedoch für weiteren politischen Streit.

Fehler darf man machen, aber man darf sie nicht vertuschen

Allen Beteiligten dürfte längst klar sein, dass es schlimmer ist, wie etwa beim goldenen Handschlag für Schmitz und dem Kuwait-Vertrag, Fehlentscheidungen zu verschleiern als sie zu treffen und dazu zu stehen. Die Debatte über Konsequenzen für jene, die zur Vertuschung den Rat getäuscht oder übergangen haben sollen, findet allerdings vor dem Hintergrund der Kommunalwahl in diesem und der OB-Wahl im kommenden Jahr statt und wird – nachvollziehbar – mit Verve von den Gegnern der Grünen geführt. Umso wichtiger bleibt – bei allem politischem Streit –, dass Dienstvergehen auch nachgewiesen und nicht nur unterstellt werden.

Die Vorwürfe, die der Ausschuss durchs Aktenstudium belegt sieht, werden nicht nur rechtlich gewürdigt, sondern vor allem auch politisch. Deshalb sind auch rasche Konsequenzen eine Option. Werner Wölfle ist unter Druck geraten, er muss nun wirksam auf die Kritik reagieren. Ein freiwilliger Rückzug wäre zwar sehr ungewöhnlich. Allerdings hat er den OB in Schwierigkeiten gebracht. Man wirft Kuhn vor, den Rat getäuscht zu haben, um den Parteifreund zu schützen. Kuhns Fürsorge für Wölfle dürfte also nicht sehr ausgeprägt sein.