Die grün-rote Landesregierung ist über den Sparkurs uneins. Finanzminister Nils Schmid will schneller als geplant die Nullverschuldung angehen – was aus Sicht des StZ-Kommentators Reiner Ruf absolut richtig ist.

Stuttgart - Geht’s noch? Die Steuereingänge des Landes berechtigen zu den schönsten Hoffnungen, doch die grün-roten Koalitionäre liegen sich keineswegs in den Armen, nein, sie streiten wie die Kesselflicker. Die Aufregung ausgelöst hat Finanzminister Nils Schmid (SPD) mit seinem überfälligen Vorschlag, unter dem Eindruck der erquickenden Steuereinnahmen den Bremsweg bis zur Nullverschuldung abzukürzen. Dies würde bedeuten, dass Baden-Württemberg nicht erst vom Jahr 2020 an einen dauerhaft ausgeglichenen Haushalt auswiese, sondern bereits 2016, dem Jahr der Landtagswahl.

 

In der Führungsriege der Grünen löste diese Ansage eine Schockwelle aus, deren Ausmaß nur schwer zu verstehen ist. Es sei denn, man betrachtet das Geschehen nicht nach den Maßstäben einer verantwortungsvollen Finanzpolitik, sondern als politischen Schönheitswettbewerb mit dem für derlei Veranstaltungen typischen Schuss Missgunst. Anders sind die trotzigen Abwehrreflexe aus dem grünen Schmollwinkel kaum nachzuvollziehen.

Andere Länder gehen die Nullverschuldung forscher an

In der Sache nämlich zeichnet sich schon seit geraumer Zeit ab, dass die allzu mähliche Annäherung an die Nettonullverschuldung nicht mehr mit der positiven Entwicklung des Landeshaushalts zu vereinbaren ist. Der Finanzminister badet in seinen Etatüberschüssen wie Dagobert Duck in seinen Goldtalern – da wirkt der tröstende Hinweis auf das Jahr 2020 irgendwann bizarr. Zumal andere Bundesländer das Unternehmen Nullverschuldung deutlich forscher angehen als der potente Südwesten.

Wer will, mag Schmid Populismus vorwerfen. Dass er die Neuverschuldung ausgerechnet 2016 auf null bringen möchte, liegt an der Landtagswahl. Der Finanzminister folgt dem aus seiner Sicht charmanten Gedanken, die Opposition finanzpolitisch mattzusetzen. Diese hatte den Vorwurf, Grün-Rot führe ins Schuldenchaos, schon fest für ihr Wahlkampfrepertoire vorgemerkt. Überdies darf man mit Blick auf Schmid nicht vergessen, dass der Mann ja immer noch Ministerpräsident werden will, was bedingt, dass er als starker Minister in Erscheinung tritt. Wie das allerdings ankäme, wenn die Wahl eine rot-grüne Regierung zeitigte, an deren Spitze in der Konsequenz nicht mehr Winfried Kretschmann stünde, steht auf einem anderen Blatt. Derzeit spricht ohnehin nichts für ein solches Wahlergebnis.

Der Schuldenabbau muss beschleunigt werden

Populistisch handelte Schmid indes nur dann, wenn nach der Null 2016 sofort wieder die Rückkehr an den Kreditmarkt folgte. Nach seinem Vorstoß setzte Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann denn auch sofort zu einer Blutgrätsche an und warnte in dem Bemühen, das Thema aus der Welt zu schaffen, vor einem „Strohfeuer“. Immerhin können sich aber auch die Grünen nicht mehr der Vorstellung verschließen, dass der Schuldenabbau beschleunigt werden muss. Um jeweils 250 Millionen Euro soll die Neuverschuldung bis 2016 maßvoll gesenkt werden. Doch die Nullverschuldung 2016 wäre ein starkes Signal, das den Spardruck – anders als die Grünen sagen – nicht erschlaffen ließe, vielmehr erhöhte. Das wissen alle Beteiligten, und das ist auch der eigentliche Antrieb für den Widerstand. Hingegen ist nicht ersichtlich, weshalb dieses Vorhaben das Ziel der Koalition erschweren sollte, den Landesetat strukturell so zuzuschneiden, dass die Null dauerhaft gehalten wird.

Grün-Rot ist eher der Vorwurf zu machen, in den vergangenen Jahren die deutlich gestiegenen Ausgaben nicht an anderer Stelle durch Einsparungen kompensiert zu haben. In dieser Beziehung blieben die Taten hinter den öffentlich vorgetragenen Ambitionen zurück. Ganz zu schweigen von der Sparrhetorik, die zu Oppositionszeiten der heutige Ministerpräsident Winfried Kretschmann mehr noch als sein SPD-Kollege Schmid pflegte. Daran müssen sie sich messen lassen.