Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen ehemalige LBBW-Manager sind geplatzt. Das Bilanzrecht taugt nun einmal nicht, Straftaten zu belegen, meint StZ-Wirtschaftsressortleiterr Michael Heller.

Stuttgart - Nein, da gibt es nichts zu jubeln für die ehemaligen Vorstandsmitglieder der LBBW. Das Gericht hat nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft entschieden, das Strafverfahren gegen die Banker sowie zwei Wirtschaftsprüfer einzustellen. Und das ist für die Angeklagten nur ein Freispruch zweiter Klasse. Dass Exchef Siegfried Jaschinski nun 50 000 Euro und seine früheren Kollegen 40 000 Euro als Geldauflage zahlen müssen, werden sie verschmerzen können. Aber der Makel, den Gerichtssaal nicht mit einem glatten Freispruch verlassen zu können, bleibt. Zwar hätten die Banker, die weiterhin glauben, nichts falsch gemacht zu haben, ihre Zustimmung verweigern können. Aber die Hoffnung auf einen Freispruch war nicht zum Nulltarif zu haben.

 

Die Angeklagten hatten die Aussicht auf weitere zeitraubende Verhandlungstage im Gericht; 13 Termine bis Ende August waren bereits angesetzt. Das hätte Angeklagte wie den freigestellten Vizechef Michael Horn, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, in die Bredouille gebracht; gleiches gilt für einen mitangeklagten Wirtschaftsprüfer, der bei einem neuen Arbeitgeber noch in der Probezeit ist. Das ehemalige Vorstandsmitglied Peter Kaemmerer musste zumindest zu Beginn des Verfahrens ebenso wie die anderen Angeklagten zu jedem Termin persönlich erscheinen, obwohl er mittlerweile in Tokio lebt und arbeitet. Das erzeugt Druck auf die Angeklagten, und da hilft es dann wenig, wenn der seitherige Prozessverlauf keinen der Vorwürfe – zwei gefälschte Jahresabschlüsse, ein geschönter Lagebericht – erhärtet hat.

Es stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit

Die Ankläger haben mit der Entscheidung eine Niederlage erlitten, die freilich selbst verschuldet ist. Der Umstand, dass das Verfahren nicht mit einem Freispruch endet, mag als Rechtfertigung für die aufwendige Ermittlungsarbeit dienen. Gleichwohl stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Denn Ausgangspunkt war eine spektakuläre Razzia, die bereits vor mehr als vier Jahren stattgefunden hat. Der wirklich relevante Anfangsverdacht der Untreue ließ sich aber nicht erhärten. So ging es letztlich überwiegend noch um Fragen der Bilanzierung, die heutzutage mehr denn je Auslegungssache sind. Thomas Knierim, der Anwalt des früheren Finanzvorstands Rudolf Zipf, hat dazu vor Gericht völlig zu Recht festgestellt: „Das Strafrecht ist kein Mittel, um einen Meinungsstreit über Bilanzierungsfragen zu entscheiden.“ Die Staatsanwaltschaft muss sich vorwerfen lassen, genau dies versucht zu haben.

Das heißt natürlich nicht, dass Manager für ihre Handlungen nicht in Haftung genommen werden sollen. Im Gegenteil, die Regeln müssen präzisiert und verschärft werden. Dafür muss aber der Gesetzgeber die Voraussetzungen schaffen. Die bisherige Rechtslage ist völlig unbefriedigend. Gegenwärtig ist der Vorwurf der Untreue das bevorzugte Mittel zur Verfolgung von Wirtschaftsdelikten. Das bekommt jetzt zum Beispiel der ehemalige rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel zu spüren, der wegen des Nürburgring-Skandals ins Gefängnis muss.

Kritiker nennen den Untreue-Paragrafen im Strafgesetzbuch eine Allzweckwaffe zur Kriminalisierung unternehmerischen Handelns, weil darin mit Begriffen operiert wird, die aus längst vergangenen Zeiten stammen. Da muss nämlich jemand seine Pflicht zur Betreuung fremden Vermögens verletzt und vorsätzlich einen Schaden herbeigeführt haben. Auch Nicht-Juristen ahnen, wie groß der Spielraum zur Interpretation ist. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Staatsanwälte brauchen ein Instrumentarium, das an die heutige Zeit angepasst ist und mit dem sich Fälle verfolgen lassen, in denen Manager ihrem Unternehmen durch eigenes Verschulden Schaden zugefügt haben. Allerdings: der Fall LBBW hätte auch unter veränderten Rahmenbedingungen nicht in diese Kategorie gehört.