Der Milchpreis sinkt immer weiter. Hilfszahlungen wären aber auch nur ein Herumdoktern an Symptomen. An den Ursachen der Preismisere können nur die Bauern selbst etwas ändern, kommentiert Redakteur Werner Ludwig.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Erst Ende April hat Edeka Südwest eine Preisgarantie für Milch gegeben. Der Lebensmittelhändler sichert den Molkereien zu, die Verkaufspreise im Laden zumindest stabil zu halten. Doch eine Trendwende am Milchmarkt ist damit nicht verbunden. Nun ist der Milchpreis unter 20 Cent pro Liter gefallen. Wie soll sich aber auch etwas ändern, wenn die Produktion nach wie vor deutlich über der Nachfrage liegt? Der „Milchgipfel“, den die Bundesregierung für Ende Mai angesetzt hat, wird ebenfalls nicht viel ändern.

 

Es ist kein Fehler, wenn sich Bauern, Molkereien und Handel an einen Tisch setzen und nach Auswegen suchen. Bei früheren Veranstaltungen dieser Art kam aber kaum mehr heraus als Appelle, Milchprodukte nicht als Lockvogelangebote zu verramschen. Direkte Eingriffe der Politik in die Preisbildung sind angesichts liberalisierter Märkte ohnehin nicht mehr möglich. Das ist auch gut so, denn frühere Versuche auf diesem Feld haben den Bauern auf längere Sicht nicht viel geholfen und führten zu Butterbergen und Milchpulverhalden. Die Überschüsse wurden mit Exportsubventionen auf den Weltmarkt gedrückt – zum Nachteil der Landwirte in anderen Teilen der Welt.

Quote bringt nicht viel

Mit der Abschaffung der Milchquote vor gut einem Jahr haben die EU und ihre Mitglieder auch das letzte Instrument zur Mengensteuerung aus der Hand gegeben. Auch hier lässt sich im Nachhinein feststellen, dass die Quote den Bauern nicht viel gebracht hat. Zu großzügig waren die Ausnahmen, zu zahlreich die fragwürdigen politischen Deals, die mehrfach zur Vergabe zusätzlicher Lieferrechte an einzelne EU-Länder führten.

Da Marktinterventionen nicht mehr möglich sind, kündigt die Bundesregierung millionenschwere Notkredite für die Milchbauern an, von denen sich viele in einer existenzbedrohenden Lage befinden. Doch Hilfszahlungen sind auch nur ein Herumdoktern an Symptomen. An den Ursachen der Preismisere – die Verbrauchern noch billigere Einkäufe beschert – ändern sie nichts: Stagnierende Nachfrage in der EU, gesunkene Exporte durch das Russlandembargo sowie die schwächere Entwicklung der Weltwirtschaft und eben die Überproduktion, die den Verbrauch in der EU um 15 Prozent übersteigt. Daraus ergibt sich eine starke Exportabhängigkeit – die bei einem boomenden Weltmarkt auch ihre guten Seiten hat.

Eine Milchkuh ist keine Maschine.

Der Preis dafür sind stärkere Nachfrageschwankungen – auf die die Produzenten eigentlich reagieren müssten. Doch damit haben etliche Milchbauern und Molkereien ihre Probleme. Das hängt auch mit biologischen Gegebenheiten zusammen – eine Milchkuh ist keine Maschine, die man abschalten kann. Doch auch vom Bewusstsein her sind viele Landwirte noch nicht ganz im Zeitalter liberalisierter Agrarmärkte angekommen. So versuchen manche Milchbauern niedrige Preise mit einer Ausweitung ihrer Produktion zu kompensieren, um den Einnahmerückgang zu begrenzen – eine reichlich kontraproduktive Strategie.

Den Schlüssel zu einer funktionierenden Mengensteuerung hat niemand anderes in der Hand als die Bauern selbst. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Molkereien, die beispielsweise gestaffelte Auszahlungspreise anbieten könnten: Einen höheren Preis für die Mengen, die sich problemlos zu guten Konditionen vermarkten lassen und einen niedrigeren für den Anteil, der sich nur verramschen lässt. Denkbar ist auch ein Bonusmodell, das Landwirte belohnt, die sich bei der Produktion zurückhalten. Mit einem solchen Modell hat etwa die niederländische Großmolkerei Friesland-Campina gute Erfahrungen gemacht. Der Milchgipfel bietet Gelegenheit, über solche neuen Wege zu diskutieren – und nicht nur über Hilfskredite.

werner.ludwig@stzn.de