Ein Gutachten der Landesregierung gibt grünes Licht für den Nationalpark im Nordschwarzwald. Das Projekt wird kommen. Doch Grün-Rot muss die Einwände ernst nehmen, fordert die StZ-Redakteurin Andrea Koch-Widmann.

Stuttgart - Ein Stück Wildnis, hundert Quadratkilometer groß und damit gerade einmal 0,7 Prozent der Waldfläche Baden-Württembergs umfassend, erregt die Gemüter im Nordschwarzwald. Die Fläche des geplanten Nationalparks liegt komplett im Staatswald, ein Großteil steht bereits unter Schutz. Diese Naturschutzinseln sollen verknüpft und drei Viertel des Gebiets nach 30 Jahren Entwicklungszeit dem Kräftespiel der Tier- und Pflanzenwelt überlassen werden. Skifahren, Radeln oder Wandern ist auf markierten Wegen erlaubt, der Mensch ist im Nationalpark als Sportler, Genießer, Beobachter und Lernender ausdrücklich erwünscht.

 

Baden-Württemberg ist neben Rheinland-Pfalz das einzige Flächenland, das noch kein solches Schutzgebiet hat. Das will die grün-rote Landesregierung ändern. Die sachlichen Argumente dafür liefert das unabhängige, europaweit ausgeschriebene Gutachten. Sein Fazit: ein Nationalpark Nordschwarzwald bringt der Region viele Chancen sowie einen Mehrwert für Natur, Tourismus und Wirtschaft. Die Risiken – etwa durch Borkenkäfer – seien beherrschbar. Die Regierung sieht sich durch diese Expertise in ihren Plänen bestätigt.

Gute Erfahrungen in anderen Ländern

Jedes andere Ergebnis wäre eine faustdicke Überraschung gewesen. Nicht deshalb, weil das Fazit vorhersehbar war nach dem Motto „Wer zahlt, schafft an“, wie die Gegner das „Obergutachten“ der Regierung diskreditieren. Sondern weil es Erfahrungen aus vierzehn Nationalparks in Deutschland gibt. In keinem einzigen ist vom wirtschaftlichen Niedergang einer Region die Rede, im Gegenteil. Überall war der Widerstand groß – was die zumeist CDU-geführten Landesregierungen im Übrigen nicht daran hinderte, diese Großschutzgebiete zu errichten.

Auch im Nordschwarzwald machen die Gegner des Projekts lautstark Front gegen die „Ökodiktatur“ und lehnen einen Nationalpark als „radikalste Form des Naturschutzes“ rundweg ab. Für sie steht nichts weniger als „der Verlust der Heimat“ auf dem Spiel. Emotionen lassen sich nicht weg diskutieren – und ein harter Kern der Gegner wird sich in seiner Fundamentalopposition von einem Gutachten nicht umstimmen lassen. Wohl aber können jetzt durch Aufklärung und sachliche Argumente vielen Bürgern in der Region viele Ängste genommen werden. Darauf hinzuarbeiten ist die Aufgabe der Regierung und der Fürsprecher in der Region. Den Sägewerkern etwa, die um Arbeitsplätze oder gar um ihre Existenz bangen, wurden bereits Zugeständnisse gemacht.

Die Kommunen arbeiten bereits an der Bewerbung

Das Bemühen um faire Kompromisse und ein transparentes Verfahren der grün-roten Landesregierung, die sich die Politik des „Gehörtwerdens“ auf die Fahnen geschrieben hat, ist jedenfalls deutlich erkennbar. Die Bürger sind in einem bundesweit einmaligen Prozess informiert und beteiligt worden. Über einen landesweit bedeutsamen Nationalpark aber können nun einmal nicht drei Gemeinden entscheiden. Dies obliegt dem Landtag. Die Bürgerbefragungen in einigen Kommunen sind insofern nur Meinungsbilder, bindend sind sie nicht. Letztlich aber könnten diese Umfragen dennoch über eine Teilnahme an einem Nationalpark entscheiden: Denn warum sollte die Landesregierung ein hartnäckiges Widerstandsnest einbinden, wenn andere Gemeinden dem Nationalpark einen roten Teppich ausrollen?

Der Nationalpark wird kommen. Die spannende Frage lautet nun: Wo? Etliche Bürgermeister und Landräte haben die Vorteile vor allem für den im Nordschwarzwald Not leidenden Tourismus erkannt. Hinter den Kulissen arbeiten sie längst daran, am Nationalpark beteiligt zu werden – und haben bereits zusätzliche Waldflächen angeboten. Der Calwer Landrat ging damit gar schon vorab an die Öffentlichkeit. Das Rennen der Kommunen um die Teilnahme hat begonnen.