In der Auseinandersetzung um den geplanten Nationalpark im Nordschwarzwald arbeiten einige Gegner mit Agitation statt mit Aufklärung. Die politische Kultur im Land nimmt dabei Schaden, findet Andrea Koch-Widmann.

Stuttgart - Schluss mit der Basta-Politik, die Bürger sollen gehört und beteiligt werden. Das hat sich die grün-rote „Bürgerregierung“ auf die Fahnen geschrieben. Solche Beteiligungsrunden werden schon vielfach praktiziert – beim Runden Tisch zum umstrittenen Pumpspeicherwerk in Atdorf, beim Filderdialog über einen besseren Flughafenbahnhof, im Vorfeld eines neuen Klimaschutzgesetzes, beim Nationalpark im Nordschwarzwald.

 

Solche Bürgerbeteiligungen wecken Hoffnungen, besteht doch die Chance, Einfluss zu nehmen auf Projekte, sie zum Besseren zu wenden oder sie zu verhindern. All dies sind berechtigte Motive der jeweiligen Interessengruppen. Doch zeigen die jüngsten Auseinandersetzungen im Land, dass einige diese Debatten offenbar als Kampf begreifen, in dem alles erlaubt ist, um die eigene Meinung durchzusetzen. Der vehemente Protest einiger Agitatoren gegen Stuttgart 21, in dem mitunter Grenzen des politischen Anstands gefallen sind – durch Fahndungsplakate, durch unpassende historische Vergleiche, als etwa der Abriss der Bahnhofsflügel mit der Niederlage bei Stalingrad verglichen wurde oder den Schuhwurf auf Ministerpräsident Winfried Kretschmann –, hat neue Maßstäbe gesetzt, sicher keine besseren.

Gegner haben sich zum Sprachrohr der Region aufgeschwungen

Auch im Kampf gegen den Nationalpark werden Grenzen zum Unguten verschoben. Die organisierten Gegner haben sich lautstark zum Sprachrohr der Region aufgeschwungen und fühlen sich legitimiert durch 26 000 Unterschriften. Ihre grünen, rot durchgestrichenen Anti-Nationalpark-Schilder sind in der ganzen Region präsent. Die Mitglieder machen Stimmung gegen den Nationalpark. Gezielt werden Gerüchte gestreut über Personen, Einzelne im Internet an den Pranger gestellt. Der Verein schürt Ängste – vor dem Borkenkäfer, vor einer grünen Ökodiktatur und treibt mit der Kampagne einen Keil in die Bevölkerung. Schlimmer noch: anders als in einer anonymen Großstadt droht in den kleinen Gemeinden, wo jeder jeden kennt und man sich im Grunde nicht aus dem Weg gehen kann, das soziale Gemeinwesen auseinanderzubrechen.

Dabei geht es hier nicht um ein milliardenschweres Bauprojekt, sondern um ein kleines, nur zehn mal zehn Kilometer großes Naturschutzgroßgebiet. Es geht um einen Nationalpark, in dem auch die Menschen als Erholungssuchende und von der Natur Lernende willkommen sind. Es geht um einen touristischen Magneten mit internationaler Strahlkraft. Das erkennen inzwischen immer mehr Politiker, Bürgermeister, Landräte, Gastronomen, große Vereine wie der Schwarzwaldverein bis hin zum kleinen Skiclub. Das Gutachten zum Nationalpark hat sie überzeugt. Selbst die CDU-Landtagsfraktion, die im Übrigen einen Nationalpark in ihrem Wahlprogramm führte, hat keine Bedenken mehr, sofern noch ein paar „Prüfsteine“ von der Landesregierung abgearbeitet werden. Demnach kann die Regierung der Abstimmung im Landtag gelassen entgegensehen – den Nationalpark wird nicht nur die Regierungsmehrheit tragen. Das ist gut für die Legitimation des Projekts.

Horrorvision eines toten Waldes

Dass nun die Gegner mit demagogischen Methoden das Meinungsbild beeinflussen wollen – sie verteilen Pamphlete, zeichnen die Horrorvision eines toten Walds –, geht selbst Oppositionspolitikern zu weit, obwohl sie von Grün-Rot stets die Beteiligung der Bürger einfordern. Tatsächlich holen nur sieben von 19 möglichen Nationalparkgemeinden ein Meinungsbild ein. Das Votum ihrer Bürger können die Bürgermeister nicht ignorieren, selbst wenn sie inzwischen für einen Nationalpark sind, die Mehrheit der Gemeinde aber dagegenstimmen würde. Wenn Emotionen statt Argumente zählen, wenn mit Polemik Ängste geschürt werden, dann sind demokratische Prozesse in Gefahr. Bürgerbeteiligung wird so ad absurdum geführt.