Mesut Özil spielt nicht mehr für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Damit endet eine herausragende Länderspielkarriere unrühmlich, aber irgendwie passend. Und der Neuanfang des Nationalteam wird nach Özils Rundumschlag noch schwerer als erwartet, kommentiert unser Autor Dirk Preiß.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Eine erste Erklärung, wenig später eine zweite, am Sonntagabend dann die dritte. Alles veröffentlicht über den eigenen Twitter-Kanal. Keine echte Diskussion also, keine Nachfragen, dafür die eigenen Wahrheiten und Antworten. So hat Mesut Özil auf die Geschehnisse vor und während der Weltmeisterschaft in Russland reagiert – und am Ende das Kapitel Nationalmannschaft zugeschlagen. Nach 92 Spielen für Deutschland, vielen Erfolgen, dem WM-Titel 2014 und zuletzt dem blamablen Ausscheiden in der Vorrunde macht Mesut Özil Schluss. Eine sportliche Entscheidung ist das nicht.

 

Noch vor dem Turnier in Russland hat der in Gelsenkirchen geborene Sohn türkischer Eltern (gemeinsam mit Ilkay Gündogan) mit dem Foto mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan eine Debatte losgetreten, die nicht mehr einzufangen war. Auch, weil Özil dazu keinen Beitrag leisten wollte. Wochenlang hat er geschwiegen, erst jetzt liefert er Antworten auf drängende Fragen, die sich wie folgt lesen.

Ein grotesker Vergleich

Es ging nicht um Politik. Es ging lediglich um den Respekt vor dem obersten Staatsmann des Landes seiner Vorfahren – ganz unabhängig von Person und Art der Amtsführung. Man habe ihn schließlich gelehrt, seine Herkunft nicht zu vergessen. Das hat auch niemand von Mesut Özil verlangt. Auch als deutscher Nationalspieler kann er sich verbunden fühlen mit der Heimat seiner Vorfahren. Er könnte mit seiner Bekanntheit sogar einen Beitrag leisten für jene in der Türkei, die unter mangelnder Meinungsfreiheit und Unterdrückung leiden. Doch solche Dinge blendet Özil aus – und argumentiert nun: Wenn selbst die Königin von England den Präsidenten Erdogan empfängt, warum sollte er ein Treffen ablehnen? Der Vergleich ist grotesk, und Özil hat nicht verstanden, wo die wahren Probleme dieser Fotos liegen.

Kein Wort des Bedauerns, keine Entschuldigung, kein Bekenntnis, sich als nun Ex-Nationalspieler, der immer beteuerte, deutsche Werte zu vertreten, künftig anders zu positionieren. Stattdessen die unausgesprochene Botschaft: Er würde es wieder tun. Dazu ein Frontalangriff in verschiedene Richtungen, der seinesgleichen sucht. Kern der Botschaften ist ein Rassismusvorwurf, vor allem in Bezug auf Medien und direkt an die Adresse des DFB-Präsidenten Reinhard Grindel.

Der Neuanfang wird dadurch nicht leichter

Der Deutsche Fußball-Bund, namentlich Manager Oliver Bierhoff und eben Grindel, hatten von einer Aussage Özils dessen Zukunft im Nationalteam abhängig gemacht. Diese Bewertung ist nun nicht mehr nötig, zu Ende ist die bis dahin mangelhafte Aufarbeitung der Affäre aber nicht. Denn: Das noch vor wenigen Monaten (auch für gelungene Integration) gefeierte Vorzeigeobjekt Nationalmannschaft gleicht nun einem Trümmerhaufen – sportlich nach dem frühen WM-Aus, noch mehr aber in atmosphärischer und gesellschaftspolitischer Sicht. Özils Vorwürfe können jedenfalls nicht unbeantwortet bleiben.

Dem Mittelfeldspieler des FC Arsenal wird das nun egal sein, er hat einen Schlussstrich gezogen – aber auch ein weiteres Eigentor geschossen. Bedient er mit vielen der getätigten Aussagen doch gerade den Populismus, den er selbst in seinen Ausführungen kritisiert. Und seine eigentlich herausragende Karriere im deutschen Nationalteam nimmt ein bitteres und unrühmliches Ende. Aber, das muss man mit Blick auf die vergangenen Wochen sagen, irgendwie auch ein passendes.