Sepp Blatter war im Fußball-Weltverband der Alleinherrscher. Er hat die Fifa zu einer Geldmaschine gemacht, mit skrupellosen Methoden. Blatter ist zwar weg, doch die Fifa muss sich von seinem System befreien, kommentiert der StZ-Redakteur Michael Maurer.

Stuttgart - Joseph S. Blatter hat auch im letzten Akt seiner schmierigen Inszenierung den Regisseur und Hauptdarsteller selber gespielt. Obwohl es nach dem jüngsten Korruptionsskandal nichts mehr gab, was seinen Verbleib als Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa gerechtfertigt hätte, ließ er sich erst noch einmal im Amt bestätigen – ehe er nun die Konsequenzen zog und zurücktrat. Ein Blatter lässt sich nicht davonjagen, er bestimmt den Zeitpunkt selber. Es dürfte ihm schon länger klar gewesen sein, dass es nach den Ermittlungen des FBI, nach den Verhaftungen von sieben Fifa-Funktionären auch für ihn eng werden würde: es geht um Bestechungsvorwürfe bei der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar, es geht um Betrug, Erpressung und Geldwäsche. Und das in jenem Verband, in dem Blatter der Alleinherrscher war.

 

All die unsauberen Praktiken des Systems Blatter waren seit Langem bekannt. Doch es brauchte erst das massive Einschreiten der Justiz, um das System ins Wanken zu bringen. Der kommerzialisierte Sport mit seiner in sich fest verwobenen Mischung aus Funktionären, Politik, Wirtschaft und Medien ist zu einem solchen Akt der Selbstreinigung nicht mehr in der Lage. Und schon gar nicht, wenn es um das weltweit begehrteste Produkt der Sportwelt geht, die Fußball-Weltmeisterschaft. Sepp Blatter hatte dies schon früh erkannt, und er zog in seiner über 30-jährigen Fifa-Karriere – erst als Generalsekretär, dann als Exekutivdirektor und schließlich als Präsident – die richtigen Schlüsse daraus.

Blatter träumte vom Friedensnobelpreis

Er trieb den Preis für das Produkt Fußball immer weiter in die Höhe und machte die WM zu einem Objekt, nach dem Sponsoren ebenso gierten wie Regierungen oder Fernsehsender. Mit den Milliardengewinnen wiederum sicherte Blatter seine Machtbasis in der Fifa. Er war der Pate dieser Organisation und er glaubte, in einer eigenen Welt zu leben, die nur seinen eigenen Regeln zu folgen hat. Er träumte vom Friedensnobelpreis für sich und davon, dass auf dem Mars Fußball gespielt wird.

Das Bestürzende daran ist: Bis zu den Ermittlungen des FBI schien Sepp Blatter in dieser Welt sakrosankt zu sein. Sicher, er wurde von vielen gehasst und hatte viele Feinde, insbesondere in Europa. Doch er wurde eben auch von vielen umgarnt, gehätschelt und in seiner Rolle als Sonnenkönig bestätigt. Wenn es um die Vergabe einer Weltmeisterschaft geht, war den Beteiligten in diesem Milliardenspiel so ziemlich jedes Mittel recht. Blatter nützte diesen Umstand schamlos aus, er war am Ende weder von der Politik noch von den Sponsoren zu zähmen – und von seiner eigenen Organisation schon gar nicht. Blatters Getreue, vor allem aus Afrika und Asien, hielten unverbrüchlich zu ihm. Die Opposition, vor allem aus Europa, war zu schwach und uneinig, um dem Alleinherrscher gefährlich werden zu können. Zuletzt fiel den Europäern nicht mehr ein als eine halbgare Boykottdrohung für die WM in Russland – ein Armutszeugnis.

Die Hybris endet im Desaster

In seinen Allmachtsfantasien wollte Blatter die Fifa und sich selber in die Sphären einer weltumspannenden Friedensbewegung hieven. Jetzt endet diese Hybris im Desaster. Nicht der Fußball als Sportart, wohl aber die Organisation, die ihn repräsentiert, steckt in einem tiefen Morast aus Korruption und Betrug. Sie muss nun die Kraft finden, sich daraus zu befreien. Sepp Blatter ist zwar Vergangenheit, doch das von ihm geschaffene Geflecht existiert weiter. Gelingt es dem Fußball-Weltverband nicht, dieses zu zerreißen und zu wirklichen Reformen zu kommen, wird er das Image des korrupten Vermarkters nicht mehr loswerden. Das aber könnte zur Überlebensfrage werden: denn ob der Glanz des Produktes Fußball-WM die dunklen Seiten der Fifa weiter überstrahlen wird, ist nach diesem Skandal nicht mehr gesichert.