Die Renovierung des Stuttgarter Schauspielhauses wächst sich zum Desaster aus. Die Wiedereröffnung wird erneut verschoben – und dies muss Konsequenzen haben, fordert der StZ-Kulturchef Tim Schleider.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Unfähig, dilettantisch, frech. Als Journalist ist man ja gehalten, auch in schwierigen Weltlagen Ruhe zu bewahren und allen Seiten und Beteiligten stets Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Aber was sich das Finanz- und das Kunstministerium Baden-Württembergs im Umgang mit dem Stuttgarter Staatstheater leisten, was sich insbesondere die für Landesbesitz zuständige Bauverwaltung in Nils Schmids Finanzministerium bei der Renovierung des Stuttgarter Schauspielhauses am Eckensee erlaubt, das ist nun nicht mehr anders als mit obigen drei Adjektiven zu beschreiben. Ein Desaster.

 

Seit Herbst 2010 wird das Theatergebäude grundsaniert. Ursprünglich sollte das mal 24,5 Millionen Euro kosten und ein Jahr lang dauern. Zweimal aber ist die Aktion schon gründlich schiefgegangen. Im Sommer 2011 musste das Finanzministerium zugeben, den Zeitplan völlig aus dem Blick verloren zu haben. Und im Sommer 2012 musste das Schauspiel aus dem wiedereröffneten Gebäude erneut ausziehen, weil sich unter anderem die neue Bühnentechnik als völlig fehlerhaft erwiesen hatte, von Sichtbehinderungen im Zuschauerraum ganz zu schweigen. Just die Bühnentechnik ist nun immer noch marode. Deswegen gibt es seit einer Pressekonferenz der beiden zuständigen Ministerien gestern jetzt keinen neuen Termin mehr für eine Wiedereröffnung. Die treuherzige Begründung eines Pressesprechers der Landesregierung hierzu: Man wolle erst einmal Zeit gewinnen.

Unfähige Ministerien

Warum sind die zuständigen Ministerien frech? Weil es noch keine vier Wochen her ist, dass sie glaubten, den Schauspielintendanten Hasko Weber öffentlich maßregeln zu müssen, als dieser erste öffentliche Zweifel am aktuellen Bauerfolg äußerte. Damals tat man noch so, als müssten diese Theaterleute einfach mal ein bisschen flexibler sein, dann rüttle sich schon alles zurecht. Vermutlich wusste man es bereits damals besser. Und es war nicht das erste Mal, dass die Verwaltung versuchte, den Schwarzen Peter für die Misere dem Theater zuzuschieben. Das ist schäbig.

Warum sind die zuständigen Ministerien unfähig? Nun, die Fakten sprechen für sich. Es ist in Deutschland eigentlich keine Geheimwissenschaft, einen modernen Schauspielsaal mit funktionierender Bühnentechnik zu errichten. Andere Städte hatten damit schon Erfolg. Sicher, überall, wo Menschen arbeiten, geschehen Fehler. Aber man kann auch aus Fehlern lernen. Es ist derzeit jedoch nicht erkennbar, dass in den zuständigen Stellen des Finanzministeriums Fehleranalyse überhaupt betrieben würde. Schlimmer noch: von Anfang an wurden viel zu oft und viel zu lang die Warnungen der Fachleute aus dem Staatstheater in den Wind geschlagen.

Nimmt jetzt jemand seinen Hut?

Und warum sind die zuständigen Ministerien dilettantisch? Weil sie auch jetzt wieder so tun, als könne den Theaterleuten doch eigentlich egal sein, wo sie spielen, Hauptsache, es ist geheizt und das Licht brennt. Ohne irgendeinen neuen Termin hat das Staatstheater aber nun gar keine Planungsmöglichkeiten mehr. Produktionen werden gestrichen, Bühnenkonzepte sind hinfällig, Verträge gegenstandslos, aber dennoch teuer, Abos teilweise wertlos.

Die Landeshauptstadt Stuttgart bereitet dem zum Saisonende scheidenden Intendanten Hasko Weber damit einen Abschied, den weder dieser noch sein Team verdient haben. Unermüdlich und mit viel schöpferischer Kraft spielen sie gerade in ihrem Ersatzquartier, unterstützt von Oper und Ballett – und wissen zum Glück große Teile des Publikums auf ihrer Seite. Was die verschiedenen Abteilungen des Staatstheaters in all dieser Renovierungszeit bereits an Flexibilität, Kreativität, Pragmatismus und Improvisationskunst bewiesen haben – Hut ab! In der politischen Verwaltung herrscht derweil Notstand. Nimmt dafür jetzt jemand mal seinen Hut?