Den Stresstest hat das Projekt erfolgreich absolviert. Der Streit bei Grün-Rot geht jedoch weiter, meint StZ-Lokalchef Achim Wörner.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Seit vielen Wochen schon schießen die Spekulationen ins Kraut, wie der Stresstest für das Milliardenprojekt Stuttgart 21 denn ausgefallen sein könnte. Manche Auguren haben das Ergebnis zur neuerlichen Schicksalsfrage für den Tiefbahnhof erhoben. Wenn aber die publik gewordene Expertise der von Gegnern wie Befürwortern akzeptierten Schweizer Verkehrsgutachter eines deutlich macht, dann dies: Schwarz-Weiß ist in der Debatte über die Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart weder hilfreich noch angebracht.

 

Zunächst, und daran kann nach Lektüre der Studie kein Zweifel bestehen: Stuttgart 21 - und damit auch die Bauherren von der Deutschen Bahn AG - haben den Stresstest bestanden. Ganz ausdrücklich bescheinigen die unabhängigen Experten den Plänen für komplett neue Gleiswege im engen Nesenbachtal und auf den Fildern nach intensiver Prüfung, zukunftstauglich zu sein. Das von manchen Gegnern des Projekts immer wieder beschworene Bahnchaos - es wird nach menschlichem Ermessen ausbleiben. Und manche Forderung, die erhoben worden ist, wie etwa die nach einem neunten und zehnten Durchgangsgleis im neuen Hauptbahnhof, hat sich als voreilig erwiesen. Vielmehr bauen sich in der neuen Tiefstation entgegen den Befürchtungen Verspätungen nicht weiter auf, sondern sogar eher ab. All diese Erkenntnisse sollten zu einer Versachlichung der immer noch hochemotionalen Diskussion beitragen.

Bedauerliche Verweigerung des Aktionsbündnisses

Und doch ist das Zeugnis für die Bahn bei genauer Lektüre nicht an allen Stellen formidabel. Ginge es nach Schulnoten, hat es unter dem Strich die Note Zwei bis Drei gegeben, nicht schlechter, aber auch nicht besser, zumal es Nachbesserung braucht. Unter anderem wird - was ursprünglich so nicht vorgesehen war, von den Gutachtern aber bereits unterstellt ist - ein zweites Zulaufgleis zum Flughafen gebaut werden müssen, um Kollisionen zu vermeiden. Zumindest als Option empfehlen die SMA-Ingenieure auch, bei Wendlingen, wo sich die Strecken Flughafen-Ulm und Tübingen- Plochingen treffen, kreuzungsfreie Wege zu schaffen. Das wird womöglich die Kostendiskussion neu aufflammen lassen.

Umso bedauerlicher ist es vor diesem Hintergrund, dass das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 sich der öffentlichen Präsentation des Stresstest-Ergebnisses verweigert. Gewiss, die Bahn hat sich zumindest einen Teil dieser Misere selbst zuzuschreiben, weil sie entgegen früherer Zusagen die Gegner nicht vom Start weg an der Erarbeitung der Prämissen für den Stresstest beteiligt hat. Und auch bei der Frage, was denn nun unter einer guten Betriebsqualität zu verstehen sei - von der in der Schlichtung Heiner Geißlers die Rede war, die aber als Begrifflichkeit in den Bahn-Regularien gar nicht vorkommt -, hätte sich kein Konsens erzielen lassen. Und doch hat das Aktionsbündnis eine Chance verpasst, indem es sich dem öffentlichen Austausch der Argumente im direkten Vergleich verweigert und Fundamentalopposition betreibt: nämlich mit für Transparenz zu sorgen bei einem wichtigen, komplexen, umstrittenen Thema - so wie es im Übrigen ja durch die Schlichtung Ende vergangenen Jahres sehr gut gelungen war. Denn daran ist schon zu erinnern. Nur durch das Aktionsbündnis, das die Bahn in Erklärungsnot gebracht hatte, ist der Stresstest überhaupt erst zustande gekommen.

So aber bleibt Heiner Geißlers Schlichtung unvollendet. Und es zeigen sich auch die Grenzen dieses Instruments - zumindest dann, wenn es wie bei Stuttgart 21 so spät eingesetzt wird. Gespannt sein darf das Publikum auf die Präsentation der SMA-Expertise in der kommenden Woche gleichwohl. Denn immerhin sitzt die Landesregierung dann mit am Tisch, die über das Milliardenprojekt heillos zerstritten ist, wie am Donnerstag einmal mehr deutlich wurde. Fest steht damit auch: für Grün-Rot bleibt Stuttgart 21 ein permanenter Stresstest.