Das Publikum in Stuttgart hat leistungsfähige Bühnen verdient. Es wird Zeit, Druck zu machen, meint der StZ-Kulturchef Tim Schleider.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Zwei Dinge sind beim Großbau so gut wie sicher: Die Einweihung kommt fast immer später als geplant. Und teurer wird’s noch dazu. Insofern ist es noch kein Skandal, was gerade am Stuttgarter Staatstheater geschieht : Die endgültige Fertigstellung des grundsanierten Schauspielhauses am Eckensee dauert vermutlich noch länger als ursprünglich geplant. Zwar haben die beiden Intendanten Marc-Oliver Hendriks und Hasko Weber am Montag nur Alarm geschlagen. Aber wenn sich bis Mitte Januar auf der Baustelle nicht Entscheidendes tut, dann steht die Hauseröffnung Anfang Februar auf dem Spiel.

 

Kein Wunder also, dass die Nerven in der Staatstheater-Chefetage inzwischen blank liegen. Ursprünglich sollte Hasko Webers Schauspiel ja schon mit Beginn dieser Saison im Herbst an die gewohnte Spielstätte zurückkehren. Dieser Termin war irgendwann nicht mehr zu halten, die Verträge mit dem Vermieter der Ersatzspielstätte in der Türlenstraße mussten kurzfristig verlängert werden. Nun sieht es so aus, als ob die Schauspieler im Februar 2012 immer noch mehr oder weniger ein Provisorium beziehen. Das kann nur unproblematisch finden, wer keine Vorstellung davon hat, welcher enorme Aufwand an Planung, Logistik, Energie und Arbeitskraft nötig ist, um einen anspruchsvollen Spielbetrieb zu gewährleisten, der jeden Abend eine große Zahl an Zuschauern zu überzeugen vermag.

Die Verantwortlichen in Kunst- und Finanzministerium, im Rathaus und in der Intendanz sind gut beraten, sehr sorgfältig nach den Fehlern in der Planung und Ausführung der Schauspielhaussanierung zu suchen. Schließlich steht die andere Hälfte des Großprojektes, die Generalüberholung des Opernhauses, noch aus. Nach jetzigem Planungsstand soll diese ganz auf ein oder zwei Sommerferien, in denen ohnehin kein Spielbetrieb ist, beschränkt bleiben – aber dann muss man eben auch sicher sein, dass die einzelnen Bauabschnitte und Termine wirklich zu halten sind.

Ein bisschen traurig macht die aktuelle Lage am Eckensee schon. Die große Sanierung der alten Staatstheatergemäuer ist ja zweifellos notwendig und wünschenswert. Jahrelang hatten Stadt und Land das Projekt vor sich hergeschoben, bis die insgesamt nötigen 52 Millionen Euro endlich beisammen waren. Theaterschaffende aus aller Welt rühmen immer wieder die Treue und das Interesse des Stuttgarter Publikums. Dieses Publikum hat schöne und leistungsfähige Bühnen verdient. Dazu gehört eine Technik, die wirklich einsetzbar ist, und ein Zuschauerraum, in dem jeder gut sehen kann. Selbstverständlichkeiten? Allerdings, das sollten sie sein.