Dreht Wladimir Putin der Ukraine den Gashahn zu? Das ist eine der Risiken im aktuellen Konflikt. Klar dabei ist: Ein Erdgasexportstopp würde den Westen hart treffen – aber nicht nur ihn. Ein Kommentar von StZ-Redakteurin Eva Drews.

Stuttgart - Bei Lichte betrachtet ist der Maßnahmenkatalog, den die G-7-Staaten in Rom zusammengestellt haben, schlicht hilflos: Verfiele Russland tatsächlich in der aktuellen Krise auf die Idee, den Gashahn gen Westen zuzudrehen, könnten die Staaten dem kurzfristig nichts entgegensetzen, erst recht nichts, das nicht erhebliche Nebenwirkungen hätte.

 

Beispiel Flüssiggas – auch LNG genannt: um das tiefgefrorene Gas, das per Tankerschiff aus Übersee kommt, wieder in den gasförmigen Zustand zu bringen, sind milliardenteure Terminals nötig. Einige davon gibt es in Europa bereits, weitere sind im Bau. Gemeinsam haben alle Terminals zurzeit, dass sie mehr oder minder schlecht ausgelastet sind, denn LNG nach Europa zu schaffen ist teuer, sehr viel teurer als der Transport via Pipeline aus Russland. Entsprechend geht das meiste LNG derzeit nach Asien, wo es keine Alternativen gibt.

Etwas aufstocken ließe sich der Import sicher sofort. Um die russischen Einfuhren komplett zu ersetzen, wären aber ungeheure Investitionen in die Infrastruktur nötig, dazu würden horrende Summen für die Lieferverträge anfallen. Beides ist kurzfristig nicht zu stemmen. Und sollte Europa tatsächlich in größerem Umfang auf verflüssigtes Gas angewiesen sein, ließe das die Weltgaspreise so steigen, dass die wirtschaftlichen Folgen unabsehbar wären.

Wichtiges Signal trotz mangelnder Substanz

Ähnlich hilflos ist die Hoffnung auf die umstrittene Fracking-Technologie, die im dicht besiedelten Europa weit weniger Potenzial hat als in den USA, wo die Vorräte an in Schiefergestein gebundenem Gas deutlich größer sind. Und auch neue Pipelines wie die Trans Adriatic Pipeline (TAP), die von Aserbaidschan aus Europa beliefern soll, lassen nur wenig Optimismus zu: Nicht nur, dass man den einen unsicheren Kantonisten, Russland, durch einen anderen unsicheren Kantonisten, Aserbaidschan, ersetzten würde. Die Leitung soll auch erst in fünf Jahren fertiggestellt sein.

Trotz mangelnder Substanz geht von Rom ein wichtiges Signal aus: die Botschaft der Industrienationen, zusammenzustehen und sich nicht einschüchtern zu lassen. Und es besteht ja auch noch eine realistische Hoffnung darauf, dass Russland von sich aus den Gashahn nicht zudrehen wird. Nur als Energielieferant ist das Riesenreich wirklich mächtig. Stellte es die Exporte ein, träfe es vor allem einen: sich selbst.