Der Versuch einer Neuregelung des Arbeitnehmer-Datenschutzes ist diskreditiert. Die Koalition sollte ihren Entwurf zurückziehen, meint StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Das hatte sich die schwarz-gelbe Koalition ganz anders vorgestellt: In aller Eile wollte sie ihren kurz vor Weihnachten fertig gestellten Entwurf zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes durch die parlamentarischen Ausschüsse und den Bundestag jagen – und das nach einer ewig langen Diskussion, wie die Rechte der Arbeitnehmer besser geschützt und frühere Bespitzelungsskandale für die Zukunft verhindert werden können. Schon der erste Versuch einer Neuregelung war einstmals gescheitert – die Koalition hätte also gewarnt sein müssen.

 

So versucht es Schwarz-Gelb mit ein paar Änderungen nun ein weiteres Mal. Doch kaum wurde der neue Gesetzentwurf vor einer Woche öffentlich, brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Deutsche Gewerkschaftsbund bewertet die Vorlage sogar als „Anschlag auf die Arbeitnehmerrechte“. Schützenhilfe erhält die Arbeitnehmerlobby mit DGB und IG Metall an der Spitze von Datenschützern und den Oppositionsparteien, was auch – aber eben nicht nur – mit den anstehenden Wahlen zu tun hat. Das Fass zum Überlaufen bringt die fundamentale Kritik von Seiten der Metallarbeitgeber. Deren Urteil, dass der Entwurf den bestehenden Betriebsvereinbarungen zum Datenschutz die Rechtssicherheit nehme und an der Wirklichkeit in den Unternehmen vorbeigehe, ist verheerend.

Die Koalition hat sich zwischen die Fronten begeben

Somit hat sich die Koalition in ihrem Bemühen, mit der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite Kompromisse zu machen, zwischen alle Fronten begeben. Aus all den Reaktionen lässt sich – was den ersten Koalitionären auch schon dämmert – nur ein vernünftiger Schluss ziehen: Schwarz-Gelb muss den Entwurf stornieren. Nach der Bundestagswahl sollte mit Hilfe der Sozialpartner ein übergreifender Konsens möglich sein. Angesichts des jahrelangen Gezerres kann man dies locker abwarten.

Selbstverständlich sollten die Arbeitgeber rechtssichere Instrumente haben, sich vor Kriminalität oder Korruption in den eigenen Reihen zu schützen – wie auf der anderen Seite die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer gegen Spitzelei im Betrieb abgesichert werden müssen. Doch wurde die Rechtssicherheit bisher durch eine jahrelange Rechtsprechung in Einzelfällen geschaffen. Zudem gibt es ja etliche Vorgaben im Bundesdatenschutz- und Betriebsverfassungsgesetz. So gesehen schafft die neue Vorlage keine Klarheit, sondern schafft neue Risiken für künftige Gerichtsurteile – sie verschlimmbessert die bisherige Lage. Trotz seines opulenten Umfangs enthält sie so viele Widersprüche und rechtliche Fallstricke, dass das Vorhaben in der betrieblichen Praxis kaum eine Chance auf große Akzeptanz hätte.

Klima des Misstrauens geschaffen

Inhaltlich steht eine Vielzahl der Regelungen von allen Seiten in der Kritik. Der zentrale Einwand der Gewerkschaften betrifft die Videoüberwachung. Diese heimlich vorzunehmen wird zwar untersagt, aber im Verstoßfall wird dies lediglich als Ordnungswidrigkeit statt als Straftat eingestuft. Ein Fortschritt ist das nicht, da die Arbeitsgerichte die heimliche Überwachung längst verbieten. Stattdessen werden nun die Möglichkeiten der Unternehmen zur offenen Videokontrolle erweitert. Zu Qualitätszwecken können Aufnahmen erstellt und gespeichert werden.

Dies ist nur ein Beispiel von vielen, wie mit einem Gesetz in den Belegschaften ein Klima der Einschüchterung und des Misstrauens geschaffen wird – in einer Zeit, in der sich Management und Betriebsräte vielfach aufgemacht haben, mehr Vertrauen zueinander zu entwickeln. Kein Gesetz wäre somit besser, als den vorliegenden Entwurf durchzudrücken. Selbst die Liberalen, die so gerne den Datenschutz hochhalten, täten sich in ihrer wirtschaftsorientierten Klientel damit keinen Gefallen.