Stuttgart 21 und der Neubau des eigenen Bahnhofs sind Projekte, die in Ulm bisher nur Politik und Administration bewegen, meint Rüdiger Bäßler.
Ulm - Der Bürger, das unbekannte Wesen, stürzt die Ulmer Kommunalpolitik in Ratlosigkeit. Man wollte es an der Donau besser machen als in der Landeshauptstadt, wo der Streit um die Bahnhofspläne nichts an Verbissenheit verloren hat. Es gibt in Ulm ja auch segensreiche Erfahrungen mit der Einbindung der Einwohner bei Großprojekten. Der Bau der sogenannten neuen Mitte mit den fünfstöckigen Betonsichtbauten oder des Stadthauses am Münsterplatz sind Beispiele dafür, wie aus manchmal schmerzhaften Debatten ein Konsens werden kann, mit dem eine breite Mehrheit später gut lebt.
Seltsam, dass sogar der laufende Ausbau des Ulmer Straßenbahnnetzes mehr Menschen bewegt als das Bahnhofsprojekt. Von dem werden der Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD) und eine Mehrheit im Gemeinderat nicht müde, zu versichern, es sei für die Zukunft entscheidend. Immer war in der Lokalpolitik - während in Stuttgart die Demonstranten durch die Straßen zogen - auch Erleichterung spürbar, dass es in der alten Reichsstadt vernünftiger zugeht. Dass die Kraft des Arguments stärker sein kann als Emotionen und Egoismen.
Jetzt zeigt sich, dass es in Ulm überhaupt keine nennenswerten Emotionen in Sachen Bahnhof - und damit auch in Sachen Stuttgart 21 - gibt. Ja schlimmer noch, kein Interesse, das sich an Verbesserungsvorschlägen ablesen lässt. Vielleicht ist das so, weil die Ulmer volles Vertrauen in ihre Stadtplaner haben. Womöglich aber, und das ist die wahrscheinlichere Variante, sind die Bürger müde von einem Thema, das mit ihrer unmittelbaren Lebenswirklichkeit nach wie vor wenig zu tun hat.