EnBW-Chef Frank Mastiaux plant einen Totalumbau des Konzerns. Ob seine Rechnung aufgeht, zeigt sich erst in einigen Jahren, kommentiert StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es ist nichts weniger als ein Totalumbau, was der neue Konzernchef Frank Mastiaux just neun Monate nach seinem Amtsantritt präsentiert hat. Die EnBW des Jahres 2020, die er anstrebt, hat mit dem Unternehmen von heute nicht mehr allzu viel gemein – und noch weniger mit dem Atomkonzern von vor Fukushima. Radikal soll, ja muss sich der Energieversorger verändern, weil – das wurde selten so deutlich gesagt – sonst seine Existenz auf dem Spiel stünde.

 

Entlang den Vorgaben der Energiewende will Mastiaux die EnBW völlig neu ausrichten: die konventionellen Kraftwerke werden drastisch an Bedeutung verlieren, der Anteil alternativer Energien an der Erzeugung soll sich vervielfachen. Dafür will das Unternehmen etliche Milliarden Euro investieren, die es unter anderem durch einen weitreichenden Abbau von Beteiligungen hereinholen soll. Zugleich soll sich der lange als arrogant empfundene Monopolist zu einem bürgernahen Dienstleister wandeln, der neue Bedürfnisse der Kunden rund um die Energieversorgung erspürt und auch weckt.

Eine Rechnung mit vielen Variablen

Wenn das alles so klappt, wie Mastiaux und sein Vorstand es sich vorstellen, soll die EnBW im Jahr 2020 wieder Milliarden verdienen – freilich nicht so viele wie in der goldenen Vergangenheit. Ob die Rechnung so aufgeht, ist freilich noch nicht ausgemacht. Dafür gibt es zu viele variable Größen. Die Partnerschaft mit den Stadtwerken etwa, die Mastiaux immer wieder beschwört, muss erst noch mit Leben erfüllt werden; nicht nur in Stuttgart gibt es nach wie vor erhebliche Aversionen gegen den Karlsruher Konzern. Und der notwendige Imagewandel lässt sich nicht von oben verordnen, sondern muss auf allen Ebenen des Unternehmens durch praktisches Handeln glaubhaft gemacht werden. Auch wenn der Vorstandschef mit gutem Beispiel vorangeht, ist da noch viel zu tun.

Zu den größten Herausforderungen Mastiauxs zählt es ohnehin, aus dem behäbigen, schwerfälligen Konzern ein wendigeres, flexibel auf Veränderungen reagierendes Unternehmen zu formen. Nur dann hat die EnBW in einem immer dezentraler werdenden Energiemarkt als großer, zentraler Akteur überhaupt eine Chance. Das geht nur mit den Mitarbeitern, die mitzunehmen sich der Konzernchef erkennbar Mühe gibt. Er muss freilich auch aufpassen, sie nicht zu überfordern. Dieses Risiko besteht etwa bei der geplanten neuen Konzernstruktur, die keinen Stein auf dem anderen lässt.

Vor einer längeren Durststrecke

So oder so: die EnBW steht vor einem Kraftakt, auf dessen Gelingen die grün-rote Landesregierung und die oberschwäbischen Landräte als Großaktionäre nur hoffen können. Nicht nur Mastiaux und seine Mannschaft, auch sie selbst sind zum Erfolg verdammt. Auch wenn der sich im Jahr 2020 wie geplant einstellen sollte – bis dahin ist noch eine längere Durststrecke zu überwinden.