Die CO2-Emissionen müssen global sinken. Die deutsche Energiewende kann ein Vorbild werden, wie das zu erreichen ist. Eine gelungene Energiewende wäre ein schlagendes Argument für die Abkehr von fossilen Brennstoffen.

Stuttgart - Ausgerechnet im Kohleland Polen soll also die Erdatmosphäre gerettet werden. Von diesem Montag an tagt die 19. UN-Klimakonferenz in Warschau und soll den Weg bereiten für ein weltweites Abkommen zur Verringerung der Treibhausgase. Für Umweltschützer ist es eine Provokation, dass vor rauchenden Schloten aus alten Kohlenmeilern in Polen die saubere Luft propagiert wird. Aber umgekehrt wird ein Schuh draus: Das polnische Bild zeigt einen realen Ausschnitt aus der schmutzigen globalen Wirklichkeit – in Polen, China, Indien und auch in Deutschland. Auch bei uns sind die CO2-Emissionen im vergangenen Jahr gestiegen, trotz des wachsenden Anteils an Öko-Strom. Warschau muss den Ehrgeiz wecken, mehr zu tun.

 

Es schlägt die Stunde der Politik, denn die Wissenschaft hat ihre Aufgabe erfüllt: Sie hat festgestellt, dass es in Intervallen von Hunderttausenden von Jahren natürliche Klimawandel gegeben hat – aus verschiedensten Ursachen. Aber was sich nun in wenigen Jahrzehnten abspielt, das ist in Tempo und Wirkung katastrophal: Die Erderwärmung hat seit Beginn der Industrialisierung um fast 0,8 Grad zugenommen, die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre – die wie ein Wärmedeckel wirkt – ist seit 1750 um ein Drittel gestiegen und legt rasant zu. Die Naturkatastrophen – Hurrikane, Überflutungen – sind nicht mehr geworden, doch ihre Intensität nimmt zu.

All das ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Menschen verursacht, wie der Weltklimarat festgestellt hat. Nochmals zwei Grad mehr in diesem Jahrhundert, das sei gerade noch verkraftbar, sagen die Experten. Um das zu schaffen, müssten die globalen Emissionen aber um 50 Prozent gedrückt werden im Vergleich zu 1990 – eine Herkulesaufgabe.

Die Pragmatiker setzen auf erreichbare Zwischenziele

Skeptiker halten die Reise zur Klimakonferenz nach Warschau für eine Vergeudung von Energie, denn die Aussichten auf eine neues Klimaabkommen als Ersatz für das gescheiterte Kyoto-Protokoll sind seit der enttäuschenden Konferenz von Kopenhagen 2009 gering. Optimisten und Pragmatiker – zu denen auch der Bundesumweltminister gehört – halten unbeirrt am Versuch fest, alle Register in der Klimapolitik zu ziehen. Wenn es nicht rasch mit einem Weltvertrag klappe, so die Meinung, könnte man zumindest die freiwilligen Verpflichtungen einzelner Länder zu einer CO2-Verminderung bündeln. Wie man sie eines fernen Tages in einem Klimavertrag anrechnet, das sind technische Details, die in Warschau diskutiert werden.

Nach dem großen Wurf sieht das nicht aus. Aber der Sinn von UN-Klimakonferenzen wird dadurch nicht infrage gestellt: Sie sind der einzige Ort, an dem 194 Staaten, arme und reiche, an einem Tisch sitzen und über das Klima sprechen. Sie bieten die Gelegenheit über die im Prinzip richtige Bepreisung von CO2-Emissionen (Zertifizierung) zu sprechen. Die EU hat sie eingeführt, wenn auch auf mangelhafte Weise, was Brüssel nun korrigieren will. China, das am Rande, will das System auf regionaler Ebene kopieren.

Deutschland spielt eine Schlüsselrolle

Es gibt Signale aus den USA und China, mehr für den Klimaschutz zu tun. Es gibt kaum noch einen Weltverband oder Konzern, der nicht den Klimaschutz propagiert. Fast jeder Staat – selbst Länder wie Pakistan, Vietnam und Kenia – legt mittlerweile Klimaprogramme vor. In dieser Situation liegt eine besondere Verantwortung bei Europa und Deutschland. Die Europäer haben relativ ambitionierte Reduktionsziele – 20 Prozent, eventuell 30 Prozent Minderung bis 2020. Sie können Vorbild und treibende Kraft sein.

Deutschland fällt eine Schlüsselrolle zu: Falls die Energiewende gelingt und mit ihr der Beweis, dass die Wettbewerbsfähigkeit und der Erhalt des Wohlstands mit erneuerbaren Energien möglich ist, wäre das ein schlagendes Argument für den Ausstieg aus fossilen Energien. Er ist der erste Schritt zum Klimaschutz.