Nach der Rettung sollte beim VfB Stuttgart die Saison nicht schnell abgehakt werden. Nun gilt es, Fehler aufzuarbeiten. Auch vor personellen Konsequenzen sollte nicht zurückgeschreckt werden. Ein Kommentar von Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Unzählige Rückschläge hat der VfB Stuttgart in dieser Saison der Fußball-Bundesliga kurz vor Schluss kassiert. Der Wolfsburger Siegtreffer am Samstag war jedoch ein spätes Gegentor, für das sich die Stuttgarter eigentlich bedanken müssten. So wird der Verein noch einmal mit Nachdruck daran erinnert, dass eine desaströse Punkterunde schonungslos aufgearbeitet werden muss. Hätte der VfB den Klassenverbleib nicht mit der Hilfe anderer Mannschaften, sondern aus eigener Kraft geschafft, wäre womöglich als Ergebnis der Analyse herausgekommen: so kann es doch jetzt eigentlich weitergehen.

 

So kann es beim VfB nicht weitergehen – nachdem in dieser Saison vor dem abschließen Spiel beim FC Bayern bereits ein negativer Vereinsrekord aufgestellt worden ist. 17 Niederlagen unter drei Trainern binnen einer Spielzeit, das hat es in Stuttgart noch nicht gegeben. Bernd Wahler tut deshalb gut daran, seinen bereits vor Wochen ausgegebenen Plan auch in die Tat umzusetzen. Der VfB-Präsident hatte angekündigt, bei der Aufarbeitung der vergangenen Monate jeden Stein umzudrehen. Ziemlich schnell dürfte er bei dieser Arbeit auf einen ganz dicken Brocken stoßen: auf Fredi Bobic. Bei aller Identifikation des Sportvorstands mit dem Verein, bei allen Verdiensten als umsichtiger Krisenmanager in der schwierigen Zeit unter dem ehemaligen Führungsduo Gerd Mäuser und Dieter Hundt – Fredi Bobic ist das Gesicht der VfB-Krise und des Fast-Abstiegs.

Umstrukturierung nötig

Bobic hat einen offensichtlich nicht funktionierenden Kader zusammengestellt. Er wollte seinen alten Freund Krassimir Balakov als Nachfolger des entlassenen Trainers Thomas Schneider installieren und setzte sich mit dieser sportlich nicht einleuchtenden Idee dem Verdacht der Kumpanei aus. Und dann hat es Fredi Bobic zuletzt durchaus auch an der nötigen Einsicht gefehlt. Auf die Frage, was er aus dieser intensiven Zeit am Rande des Abgrunds mitnehme, ist ihm nie eine selbstkritische Antwort in den Sinn gekommen. Dabei steht Bobic’ vorsaisonale Aussage selbstbedrohend im Raum, sich am Ende am aktuellen Kader messen lassen zu wollen.

Bernd Wahler muss sich an den Entscheidungen messen lassen, die er in der Zeit bis zum Start der Bundesliga-Saison 2014/2015 trifft. Einen Neuanfang kann er jedenfalls nicht glaubhaft ausrufen, wenn personelle Veränderungen ausbleiben. Das gilt natürlich auch für die Mannschaft, die eine ganze neue Struktur braucht. Der VfB ist auf dem Platz in dieser Spielzeit oft erst brav und dann verschreckt dahergekommen. Neben dem fußballerischen Können sollte bei Transfers deshalb künftig auch die Krisenresistenz eines Spielers berücksichtigt werden. Zuvor muss aber noch die Arbeit der Scouting-Abteilung unter die Lupe genommen werden. Die Fragen lauten: wählen die VfB-Späher falsche Spieler aus oder dringen sie mit ihren Ideen an den entscheidenden Stellen nicht durch?

Erfrischender Offensivfußball ist nicht zu erwarten

Den größten Schwung würde das Projekt Neuanfang aber bekommen, wenn das Werben des VfB um Thomas Tuchel tatsächlich Erfolg hätte. Der Mainzer Trainer, der der Stuttgarter Offerte nicht abgeneigt scheint, würde perfekt ins Leitbild des Vereins passen. Der VfB kommt schließlich bisher in erster Linie auf dem Konzeptpapier jung, dynamisch, sympathisch, zielstrebig und erfolgreich daher.

Sollte sich die Verpflichtung von Thomas Tuchel nicht oder nicht sofort verwirklichen lassen, wäre es die logische Variante, Huub Stevens mit einem Einjahresvertrag auszustatten. Da weiß man, was man hat: einen Trainer, der dem VfB ein Mindestmaß an Stabilität gegeben hat, die zum Klassenverbleib reichte. Aber eines ist auch klar: erfrischender Offensivfußball wird unter Stevens nicht oft zu sehen sein. Doch das werden die leidgeprüften Fans des Vereins für Zitterspiele verschmerzen können – solange die Ergebnisse stimmen.