Deutschland ist der drittgrößte Waffen-Exporteur der Welt, obwohl die Politik immer von „Zurückhaltung“ redet. Falls diese Linie für Katar und Saudi-Arabien nicht mehr gilt, sollte die Regierung dies offen sagen, meint der StZ-Politikchef Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Fast immer, wenn Guido Westerwelle aufgefordert ist, die Grundzüge deutscher Außenpolitik zu skizzieren, fallen die Worte „wertegebunden“ und „Kultur der militärischen Zurückhaltung“. Mit beidem fügt sich der Außenminister in eine lange Reihe von Amtsvorgängern ein. Vor allem Hans-Dietrich Genscher hat in diesem Sinne das Auftreten Deutschlands in der Welt charakterisiert und geprägt. Es war nicht zum Schaden des Landes.

 

„Werte“ und „Zurückhaltung“: dies sind auch die Schlüsselbegriffe, wenn Westerwelle und Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Export deutscher Waffen sprechen. Das kommt selten genug vor. Beide sind als Mitglieder des Bundessicherheitsrates, der Rüstungsexporte genehmigen muss, zum Stillschweigen verpflichtet. Die Regierung nutzt dieses gesetzliche Schweigegebot, das sich nur auf konkrete Einzelfälle bezieht, allerdings gerne als argumentatives Schutzschild, um unangenehme Fragen zu ihrer Generallinie abzuwehren.

Deutschland auf Platz drei der Weltrangliste

Solche Fragen zu stellen ist gerade jetzt bitter nötig. Denn die schwarz-gelbe Bundesregierung scheint heimlich daran zu arbeiten, die Regeln für Rüstungsexporte zu lockern. Dies ist – in jedem denkbaren Sinne – ein Spiel mit dem Feuer.

Der Umfang deutscher Waffenlieferungen hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die Deutschen haben sich auf der Weltrangliste vom fünften auf den dritten Platz hochgearbeitet. Nur die Amerikaner und die Russen verkaufen noch mehr Kriegsgerät ins Ausland. Von übergroßer „Zurückhaltung“ kann also schon lange keine Rede mehr sein.

In Maßen galt sie immerhin noch für die arabischen Staaten, aber nun soll offenbar auch diese Restriktion fallen. Die Bundesregierung wirbt innerhalb der Nato dafür, die Liste jener Staaten zu verlängern, in die aufgrund außergewöhnlicher strategischer Interessen geliefert werden darf. Auf diese Listen sollen angeblich auch die Staaten des Golfkooperationsrates gesetzt werden. Wie bestellt passen dazu Hinweise, dass zwei dieser Golfanrainer – Saudi-Arabien und Katar – größtes Interesse an Hunderten von deutschen Leopard-2-Panzern zeigen und die Bundesregierung nicht abgeneigt sei, diese Wünsche zu erfüllen.

Eine Region im Ausnahmezustand

Über die strategischen Interessen, die gemeint sind, wird geschwiegen – aber sie lassen sich denken: Zum einen ist es das Interesse am Wohlergehen der Rüstungsindustrie. Das ist legitim. Zum anderen sollen jene Regierungen gestärkt werden, die in dieser hochexplosiven Region mit Deutschland gleichlaufende Interessen haben. Die richten sich im Moment vor allem auf eine sichere Versorgung mit Öl und Gas sowie die Eindämmung des Iran, der zur führenden Regionalmacht aufsteigen will. Auch das sind legitime Anliegen.

Dagegen stehen die moralischen Wirkungen und politischen Gefahren. Bisher galt als goldener Grundsatz, dass Deutschland nicht in Gebiete mit akuten Spannungen liefert. Was aber ist der arabische Raum anderes? Gerade das Iran-Motiv belegt, dass sich die Region im Ausnahmezustand befindet. Mit Saudi-Arabien und Katar bieten sich zudem zwei Käufer an, deren Regierungen demokratische Werte verachten und Menschenrechte missachten.

Die Despoten am Golf stehen an der Spitze von Staaten, deren Stabilität nur durch Geld und Gewalt gesichert ist. Was ist, wenn sich auch hier die Menschen auflehnen? Wie reagiert die Bundesregierung, wenn sich 120-Millimeter-Glattrohrkanonen made in Germany auf Demonstranten richten? Was sagt sie, wenn Waffen in die Hände von Terroristen oder neuen Gegnern fallen – wie es den Russen in Afghanistan und Europa in Libyen passierte?

Wenn ihre offiziellen Worte noch etwas zu bedeuten haben, müssen Merkel und Westerwelle diese Waffenexporte untersagen. Wenn sie eine andere Politik wollen, dann sollten sie es sagen: offen und ehrlich.