Dass der ehemalige Polizeipräsident von Stuttgart, Siegfried Stumpf, im Wasserwerfer-Prozess nichts sagt, ist sein gutes Recht – dass aber die Polizisten und die Angeklagten keine Verletzten gesehen haben wollen, ist ein Rätsel, kommentiert StZ-Autor Oliver im Masche.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - Die Hoffnungen, dass der ehemalige Polizeipräsident Siegfried Stumpf selbst zur juristischen Klärung des aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatzes am 30. September 2010 beiträgt, haben sich zerschlagen. Wie erwartet verweigert der Ex-Polizeichef die Aussage, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt.

 

Es ist zwar das gute Recht von Stumpf zu schweigen. Damit bleibt aber unklar, ob die damalige CDU-geführte Landesregierung unter Ministerpräsident Stefan Mappus im Vorfeld des Einsatzes am „schwarzen Donnerstag“ Einfluss auf die Polizei ausgeübt hat oder nicht. Für die Stuttgarter Bürger ist die Antwort auf diese Frage von zentraler Bedeutung. Doch für eine politische Aufarbeitung des eskalierten Einsatzes eignet sich dieser Strafprozess nicht. Dies muss der Untersuchungsausschuss des Landtags leisten. Am Landgericht geht es darum, ob die Angeklagten als direkte Vorgesetzte der Wasserwerferbesatzungen mitverantwortlich für neun durch Wasserstöße verletzte Demonstranten sind.

Unzulässige Wasserstöße auf Demonstranten

Unabhängig von der Frage nach der Schuld der Angeklagten verfestigt sich nach 20 Verhandlungstagen der Eindruck, dass am 30. September auf Seiten der Polizei das blanke Chaos geherrscht hat: Sie hat den Widerstand der Stuttgart-21-Gegner offenbar völlig unterschätzt, und der Rettungsdienst erfuhr nur per Zufall von der Räumung. Zudem belegen Videoaufnahmen der Polizei, dass die unerfahrene Wasserwerferbesatzung Wasserstöße abgab, die gemäß der Landespolizeidienstvorschrift nicht einmal zulässig sind, um Gewalttaten zu verhindern – es wurden dennoch Demonstranten am Kopf getroffen.

Langwierige Aufgabe für die Richter

Warum aber kein Polizist als Zeuge und auch die Angeklagten keine Verletzten gesehen haben wollen, bleibt ein Rätsel. Dies zu prüfen, ist eine langwierige Aufgabe. Vorsorglich hat die Kammer weitere neun Prozesstage bestimmt. Ob es am Ende eine befriedigende Antwort gibt, ist offen.