Kommentar zum Weltwirtschaftsforum Davos Ein Treffen, das sich überlebt hat

Großer Aufwand, wenig Ertrag – diese übliche Gipfelbilanz gilt auch für Davos. Foto: AFP

Wenn sich die globale Managerelite in Davos trifft, dann stehen die wirklich wichtigen Fragen nicht auf der Agenda, beklagt der StZ-Autor Michael Heller.

Stuttgart - Donald Trump kommt zur rechten Zeit. Als erster US-Präsident seit Bill Clinton im Jahr 2000 besucht er das Weltwirtschaftsforum in Davos und bringt den kleinen Ort im Schweizer Kanton Graubünden ganz automatisch in die Schlagzeilen. In der Sprache der Immobiliendeals, mit denen der 71-Jährige groß geworden ist, ist das eine Win-win-Situation: Trump, der irrlichternde „America-first“-Präsident, hat am Schlusstag die maximale Aufmerksamkeit bei einer Veranstaltung, die in diesem Jahr unter dem Motto „Für eine gemeinsame Zukunft in einer zersplitterten Welt“ steht. Und Davos mag ein Jahr nach dem stark beachteten Auftritt von Chinas Präsident Xi Jinping wieder den Eindruck haben, zumindest für ein paar Tage der Nabel der Welt zu sein. Das ist ein Irrtum.

 

Der Chef der Deutschen Bank fehlt – ein Politikum

Trump legitimiert mit seiner Reise in die verschneiten Schweizer Berge noch einmal ein Treffen, das sich ebenso wie andere Gipfel überlebt hat: großer Aufwand, keine Ergebnisse. Davos lebt von dem Mythos, dass sich hier die globale Wirtschaftselite trifft und losgelöst von der Hektik des Alltags untereinander und im Austausch mit der Politik die wirklich weltbewegenden Themen debattiert und Antworten auf die Fragen von morgen sucht. Wenn jemand fehlt, so wie in diesem Jahr John Cryan, der Chef der Deutschen Bank, der zunächst zugesagt hatte, dann ist alleine das schon ein Politikum.

Gewiss, geredet wird viel in Davos, und es ist nicht nur Small Talk. Aber von Davos, das sich stets mit Mottos schmückt, die ebenso bedeutungsschwer wie nichtssagend sind („Anpassungsfähige und verantwortungsvolle Führung“), ist noch kein dauerhaftes Signal des Fortschritts ausgegangen. Wie in Endlosschleifen kreisen die Themen um Arm und Reich, um Wachstum und Stagnation, um Nachhaltigkeit und Raubbau, um Nord und Süd, um Gleichheit, Gerechtigkeit, Dynamik – und so weiter, und so fort. Selbst die Botschaft von Papst Franziskus an das Weltwirtschaftsforum wirkt seltsam hilflos: „Der Moment für mutige Schritte ist gekommen“, sagt er und appelliert an die Teilnehmer, das Leiden von Millionen Menschen nicht zu ignorieren, deren Würde verletzt werde.

In Krisenzeiten stehen die Chefs unter Druck

Dafür fühlen sich die Herren Wirtschaftsführer – Damen sind eher die Ausnahme – im Alltag freilich selten zuständig. Veranstaltungen wie Davos sind deshalb unglaubwürdig, weil sie die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit einfach so stehen lassen. Der Alltag eines Vorstandschefs ist ja bisweilen auch nicht so schillernd, insbesondere in Zeiten einer Krise. Da gibt es Druck von allen Seiten, von Aktionären, Banken und Betriebsräten – und bisweilen auch von der Politik. Die vorrangige Aufgabe der Chefs ist es, das eigene Unternehmen möglichst erfolgreich aufzustellen. Statt sich auf Empfängen über den Weltengang auszutauschen, würde mancher Manager vielleicht besser daran tun, im eigenen Unternehmen nach dem Rechten zu schauen und die Kommunikation zu pflegen.

Der Steuerzahler wird zur Kasse gebeten

Andererseits ist die Macht der Wirtschaft in den zurückliegenden Jahrzehnten dramatisch angewachsen. Auf dem Papier mag weiterhin die alte Rollenzuweisung gelten, dass die Unternehmen und ihre Vertreter eingebunden sind in einen primär politisch definierten Rahmen. In Wahrheit hat aber die Politik ihre Regelungskompetenz in Teilen eingebüßt. Stattdessen spielen Konzerne und globale Finanzadressen eine immer größere Rolle.

Wer diese Macht kontrolliert und dafür sorgt, dass die Interessen der Wirtschaft nicht zur alleine dominierenden Kategorie werden, das sind Fragen, die in Davos allenfalls hinter vorgehaltener Hand diskutiert werden. Weil Antworten ausbleiben, ist der immense Aufwand, der für solche Großereignisse zulasten des Steuerzahlers getrieben wird, nur schwer zu rechtfertigen.

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