Mit dem Ausgang der Abstimmung zum Eurorettungsschirm hat die Koalition eine schwierige Klippe umschifft. Doch die Gefahr ist nicht gebannt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Angela Merkel kann für einen kurzen Moment aufatmen. Sie verfügt im Deutschen Bundestag noch über eine Mehrheit, die ausreicht, ihr das Kanzleramt vorerst zu garantieren. Merkels Koalition hat bei der Abstimmung über die Reform des Eurorettungsschirms ein angemessenes Maß an Geschlossenheit demonstriert. Bis zum Schluss schien ungewiss, ob sie dazu noch imstande sein würde. Wie weit es trägt, bleibt offen.

 

Schwarz-Gelb hat einen weiteren Stresstest bestanden. Das ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung, um überhaupt noch als regierungsfähig gelten zu dürfen. Das klare Votum stärkt die Kanzlerin - auch auf europäischer Ebene bei ihren weiteren Bemühungen, die Schuldenkrise zu meistern und die gemeinsame Währung auf ein stabiles Fundament zu stellen.

Es ist gut, dass ein Großteil der oppositionellen Abgeordneten den Beschluss mittragen, statt sich von schlichter Gesinnungsethik leiten zu lassen. Das ist durchaus ein starkes Signal für den Euro. Man darf sich gar nicht ausmalen, welche Schlüsse die Akteure der dämonisierten Finanzmärkte aus einem Abstimmungsergebnis gezogen hätten, das die Zerstrittenheit der Koalition in dieser existenziellen Frage wirklichkeitsgetreu widergespiegelt hätte.

Kein Masterplan für die Bewältigung der Krise

Das Gesetz, um das so vehement gerungen wurde, ermöglicht, ein Instrumentarium zu schaffen, mit dem die Eurokrise in den Griff zu bekommen ist - sofern sie überhaupt beherrschbar ist. Garantien gibt es dafür nicht. Die Alternativen sind allerdings noch unwägbarer. Man mag Merkel vorwerfen, ihr Krisenmanagement sei zögerlich oder inkonsequent.

Tatsächlich hat sie in den vergangenen anderthalb Jahren mehrfach eigenen Ankündigungen zuwidergehandelt. Ihre Glaubwürdigkeit und das Zutrauen in die Regierung haben darunter erheblich gelitten. Aber es gibt für die Bewältigung dieser Krise keinen Masterplan. Merkels Vorgehen, das ihrer Politik der kleinen Schritte entspricht, verdient allemal mehr Vertrauen als jene, die behaupten, sie wüssten einen Königsweg. Merkels Ziel, die Ursachen und nicht nur die Symptome der Schuldenkrise zu bekämpfen, ist jedenfalls richtig. Richtig ist auch, den europäischen Schuldensumpf nicht leichtfertig mit noch mehr deutschem Steuergeld zu wässern.

So wenig wie die Krise der gemeinsamen Währung ist die Krise der eigenen Koalition mit dem Beschluss von gestern bewältigt. Die Debatten der vergangenen Wochen haben offenbart, wie brüchig der Zusammenhalt ist. Sie haben das wechselseitige Misstrauen geschürt. Und dafür gibt es handfeste Gründe.

Der FDP droht das politische Aus

Der FDP steht das Wasser bis zum Hals - was Panikreaktionen begünstigt. Der liberale Vizekanzler Philipp Rösler bewies vor der Berlin-Wahl, dass er vor populistischen Manövern auf dem heiklen Feld der Europapolitik nicht zurückschreckt. Ihm steht ein Mitgliederentscheid ins Haus, der die Euroskeptiker in den eigenen Reihen beflügeln dürfte.

Und CSU-Chef Horst Seehofer hat bereits angedroht, dass er im Falle einer weiteren Ausweitung des Rettungsschirms Merkel die Gefolgschaft versagen wolle. Hinter den Kulissen wird just darüber jedoch längst spekuliert. Finanzminister Wolfgang Schäuble ist eine Antwort auf einschlägige Fragen im Bundestag schuldig geblieben. Zudem bedarf Griechenland demnächst wohl eines zweiten milliardenschweren Hilfspakets - auch das birgt enormes Sprengpotenzial.

Überlebenschancen hat diese Regierung nur, weil allen Parteien, die sie tragen, im Falle ihres Scheiterns Schlimmeres bevorstünde: Der FDP droht das politische Aus. Sicher ist jedenfalls, dass zwei Drittel ihrer Abgeordneten sich nach einer Neuwahl einen anderen Job suchen müssten. Und die Union verfügt über keine alternativen Machtoptionen, solange sich die SPD einer großkoalitionären Notregierung versagt. So bleibt der Bundeskanzlerin nur eines übrig: durchregieren, solange es eben geht.