Bei der Suche nach einem Atomendlager haben sich Schwarz-Gelb und Rot-Grün angenähert. Doch eine Einigung könnte an wahltaktischen Überlegungen von SPD und Grünen scheitern, befürchtet die StZ-Redakteurin Bärbel Krauß.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin – Es ist ein ebenso ehrlicher wie fatalistischer Satz, der Winfried Kretschmann vor Kurzem entfahren ist. „Wahlen sind immer hinderlich“, sagte der Stuttgarter Ministerpräsident nüchtern, als er in einer Regierungspressekonferenz auf die Schwierigkeiten der Endlagersuche angesprochen wurde. Schon damals kam der Satz sowohl der Realität als auch einer Kapitulationserklärung ziemlich nahe. Heute gilt das noch mehr als vor wenigen  Wochen. Das ehrliche und ehrgeizige Unterfangen, die Suche nach einem geeigneten Standort für ein Atomendlager im nationalen Konsens ganz neu zu regeln, steht kurz vor dem Ende. Dass es noch ein positives Ende werden kann, wird immer unwahrscheinlicher.

 

Kretschmanns Zusage, auch einen baden-württembergischen Endlagerstandort zu akzeptieren, falls sich dies als die geeignetste Lösung erweise, war vor eineinhalb Jahren die Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen. Sie sind seither ziemlich gut vorangekommen – dank Kretschmann, dank verantwortlich agierender Unterhändler aus den Ländern, dank des früheren Bundesumweltministers Norbert Röttgen und – mit Abstrichen – auch seines Nachfolgers Peter Altmaier.

Suche beginnt auf einer weißen Landkarte

Bei dem höchst umstrittenen Thema haben sich die Standpunkte angenähert. Die Suche soll „auf der weißen Landkarte“ beginnen. Es gibt keine Vorfestlegung auf Gorleben, der niedersächsische Standort wird aber auch nicht ausgeklammert. Es gibt einen Erkundungsstopp fürs dortige Bergwerk; die bereits vorhandenen Daten dürfen bis auf Weiteres nicht ausgewertet werden. Die Standortsuche soll aufgrund wissenschaftlicher Kriterien erfolgen, die ein mit denkbar großer Unabhängigkeit ausgestattetes Institut erst noch festlegen soll.

Sowohl das rot-grüne als auch das schwarz-gelbe Lager haben Kampflinien geräumt, die jahrzehntelang galten. Das ist gut so und ließ schon im April eine Einigung in Reichweite rücken. Aber das Schielen auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai vereitelte damals den Durchbruch. Schade, dass es ausgerechnet zwei frühere Bundesumweltminister und zwei Niedersachsen waren – Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin –, die damals auf die Bremse traten, weil sie dem CDU-Wahlkämpfer Röttgen den Erfolg nicht gönnen mochten. Das wahltaktische Spiel mit der Zeit barg schon damals das Risiko, dass die Operation Endlagerkonsens scheitert.

SPD und Grüne legen die Latte höher

Jetzt sieht alles so aus, als wollten Trittin und Gabriel wegen des anstehenden Landtagswahlkampfes in Niedersachsen ihre Taktik wiederholen. Obwohl SPD und Grüne sehr viel von dem durchgesetzt haben, was sie jahrzehntelang gefordert haben, wird die Latte noch höher gelegt und der Gesetzentwurf, den Umweltminister Altmaier jetzt vorgelegt hat, erneut für ungenügend erklärt.

Man kann Altmaier durchaus vorwerfen, dass er in der Endlagerfrage den Sommer über ungeschickt agiert und sich in den unterschiedlichen Kommunikationskanälen und Gesprächsformaten verheddert hat. Aber dass er den Einigungsprozess hintertreibt, kann man ihm nicht unterstellen. Er steht massiv unter Erfolgsdruck, und er strebt nach einer Lösung. Dagegen müssen Grüne und SPD sich jetzt zwischen Wahltaktik – in einer zugegebenermaßen wichtigen Landtagswahl – und der Verantwortung für eine energiepolitische Jahrhundertfrage entscheiden. Wer sich einredet, dass ein Endlagerkonsens doch auch noch zwischen der Niedersachsenwahl im Januar und der Bundestagswahl im September möglich ist, macht sich etwas vor. Es geht jetzt nicht um eine Vertagung, sondern um Scheitern oder Gelingen. Ein Konsens für die Endlagersuche ist jetzt möglich. Wenn es nicht klappt, wird das Fenster der Gelegenheit für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte geschlossen bleiben. Wollen Grüne und SPD das wirklich verantworten?